Neulinge in Neopren an den Traumriffs

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Neulinge in Neopren an den Traumriffs

Beitragvon Isis » So 21 Sep, 2003 15:20

Am Roten Meer empfiehlt sich Ägypten als Bade-Paradies/Kultur-Denkmäler nicht vernachlässigen




Bestens erhalten: Hieroglyphen an den Wänden im Ammun-Tempel in Karnak.Bild
Fotos: Fischer
Vom 20.09.2003

Schon in einer Tiefe von nur 1,60 Metern legt sich der Wasserdruck schmerzhaft auf die Ohren. Das Atmen ausschließlich durch den Mund lässt den Hals austrocknen. Auch an sperrige Sauerstoff-Flaschen auf dem Rücken muss man sich erst gewöhnen. Nur bedingt entschädigt dafür glasklare Sicht - auf die türkisblauen Kacheln des Hotel-Pools. Vor dem ersten Blick auf die Unterwasserwelt müssen sich blutige Tauchanfänger ihre Flossen verdienen. Im ägyptischen El Gouna hilft dabei Andrea, die ihren Lebensunterhalt seit acht Jahren als Tauchlehrerin verdient und heute zum "Dive Tribe"-Team im Mövenpick-Hotel gehört.
Geduld gehört zu ihrem Job, beeindruckt angesichts der Unbedarftheit ihrer Schützlinge trotzdem sehr. Zu den Voraussetzungen von Neulingen, die sich in Neopren-Montur neben den Badegästen im Schwimmbecken etwas fremd ausnehmen, gehört auch Abstraktionsvermögen. Denn der Rote Meeresboden, von dem Andrea so fasziniert spricht, scheint im Moment noch weit, weit weg.

Dort wachsen Korallen, schwimmen Kaiser-, Engels-, Papageien- oder Falterfische. Auch Rochen segeln ab und zu

Mit glänzenden

Augen zurück

vorbei. Nicht zuletzt gibt es eine sehr hohe "Begegnungswahrscheinlichkeit" mit Delphinen. Oft kann man sie schon vom Schiff aus sehen, wo sie - angelockt vom hochtönigen Rufen einheimischer Schiffsjungen - den Törn eine ganze Weile begleiten. Dicke Bücher bilden die Vielfalt der von der Natur in den exotischsten Farben und Mustern entworfenen Meeresbewohner ab, die sich nur vier Flugstunden von Deutschland entfernt unter dem Meeresspiegel tummeln und können von deren schier unendlichen Vielfalt dennoch nur einen kleinen Teil fassen. Da wundert es nicht, dass die Novizen nach dem ersten Tauchgang, der in eine Tiefe von sechs Metern führt, mit glänzenden Augen wieder an die Oberfläche kommen.

Etwa 30 Kilometer nördlich von Ägyptens Tourismus-Zentrale Hurghada entfernt und direkt am Roten Meer wurde El Gouna 1995 aus dem Wüstenboden gestampft. Das künstlich angelegte Feriendomizil einschließlich namensgebender Lagune besteht quasi ausschließlich aus komfortablen bis luxuriösen Ferienhäusern und Hotels und gehört einem ägyptischen Großunternehmer, der an allen diesen Hotels zumindest beteiligt ist. Auch Omar Sharif hat dort Liegenschaften. Mit orientalisch beeinflusster Bauweise haben sich renommierte Architekten, von denen einer bezeichnenderweise schon Projekte im amerikanischen Disney-World realisiert hat, um einen traditionellen Eindruck bemüht. Wer eine der Villen bewohnt und gleichzeitig über ein Schiff verfügt, kann vor der eigenen Haustür ablegen und aufs offene Meer, dessen Temperatur nie unter 20 Grad sinkt, zu einem der Traumriffs fahren.

Seit einem Jahr gibt es in El Gouna einen Yachthafen, aber kein wirklich urbanes Leben: Neben den Hotels fallen vor allem Restaurants und Immobilien-Büros ins Auge. Auf etwas anderes als Urlauber scheint man nicht eingestellt - von 3000 Einwohnern sind 2000 Hotel-Angestellte. Etwas natürlichere Infrastruktur umgibt den Badegast im etwa 100 Kilometer südlich gelegenen Hafenstädtchens El Quseir. Auch dort steht eines von insgesamt zehn ägyptischen Mövenpick-Hotels, das sogar mit einem Hausriff aufwarten kann.

Das Freizeit-Programm der Ferienorte in Hurghada-Nähe ist von drei Dingen geprägt: Sport, Sport und Sport. Allem voran natürlich Tauchen und Schnorcheln. Neben dem fast schon üblichen Angebot aus Golf, Tennis oder Reiten gehört zudem eine Squad-Tour zwar nicht zu den Dingen, die man unbedingt braucht, führt aber auf abenteuerlichem, wenn auch etwas dekadentem Weg unmittelbar vor Augen, dass jenseits der Meeresbrandung nur noch Wüste liegt. Motorradfahrer haben bei dieser Form der Zerstreuung Vorteile und zweifellos den größeren Spaß. Eine Pause von so viel körperlicher Betätigung ermöglicht die komplette Wellness-Palette vom Kleopatra-Bad bis zur Ramses-Maske.

So sehr sich Ägypten auch als preisgünstiges Bade-Paradies empfiehlt, sollte man das Land aber trotzdem nicht verlassen, ohne ein paar Sehenswürdigkeiten des an Zeugnissen Jahrtausende alter Hochkultur so reichen Landes aus der Nähe betrachtet zu haben. Luxor im Landesinneren zum Beispiel ist von El Gouna, El Quseir und wie die Ferienorte am Roten Meer alle heißen, nur etwa 150 Kilometer entfernt. Dennoch wird bereits die Fahrt zum abenteuerlichen Ereignis. Der Trip durch die Wüste kann trotz der vergleichsweise geringen Entfernung drei bis vier Stunden dauern und wird in den Hotels oft als Tagesausflug angeboten. Touristen gelangen aus Sicherheitsgründen nur von einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit und auf dem unter Umständen nicht direkten Weg dorthin.

Unabhängig davon, ob man im Charterbus, im Taxi oder im Mietwagen sitzt, muss man sich einer von der Polizei eskortierten Karawane anschließen, die zudem in regelmäßigen Abständen auf der staubigen Piste postierte Check-Points passiert. Auf dem Transit ist es auch verboten, sich während der halbstündigen obligatorischen Rast von der Gruppe zu entfernen, um zum Beispiel ein Foto von Beduinen zu machen, die sich ihren Weg mit Kamelen, Eseln, Ziegen durch das scheinbare Niemandsland bahnen. Das hat weniger mit Ägyptens Angst um die eigene Sicherheit zu tun als mit der um die wichtigste, aber zu versiegen drohende Einnahmequelle des Landes - den Touristen. Seit dem Luxor-Attentat 1997 sind die Sicherheitsvorkehrungen besonders scharf geworden. Die vorschnelle gedankliche Verquickung von Islam und El Kaida tat nach dem 11. September ein Übriges zu den dramatischen Rückgängen der Besucherzahlen.

Wer schon einmal den Nil gesehen hat, der Luxor in Ost- und Westhälfte teilt, fährt reicher wieder nach Hause. Der längste Fluss der Welt misst von der Quelle bis zur Mündung ins Meer 6662 Kilometer, fließt davon zwischen Kairo und Assuan 1000 Kilometer durch Ägypten und berührt insgesamt acht Länder, ist Wasserlieferant, Stromerzeuger und Ernährer. Westlich dieser Lebensader, die sich in Respekt einflößender Breite vor den Besucheraugen auftut, liegt das Totenreich, wo die Sonne über mehr als 800 frühzeitlichen Gräbern untergeht. Im Osten beeindruckt vor allem Karnak mit dem Säulenwald des 4000 Jahre alten und wie so viele andere Baudenkmäler erstaunlich gut erhaltenen Amun-Tempels. Schon das Spalier widderköpfiger Sphingen am Eingang abzuschreiten, wird zum mystisch-mythischen Erlebnis, das die Begegnung mit einer fremden Kultur verursacht. Die Hieroglyphen, die Säulen und Obelisken wie Teppiche überziehen, lassen sich mit der Hilfe einheimischer Reiseführer entschlüsseln und offenbaren dabei sogar eine regelrechte Grammatik. Auf einenAbstecher in die örtlichen Alabaster-Manufakturen, wo man Nofretete-Köpfe, glücksbringende Skarabäus-Käfer oder dekorative Schalen kaufen kann,

Nofretete und

Skarabäus-Käfer

muss man ebenfalls vorbereitet sein.

Auf der anderen Nilseite gehören neben dem Totentempel der Hatschepsut die Königsgräber zu den Höhepunkten des Luxor-Besuches. Ein Muss ist außerdem das Tal der Könige, wo insgesamt 63, in einen Kalksteinberg gehauene Gräber, eine noch immer farbenprächtige Vorstellung der alten Ägypter vom Jenseits vermitteln. Allen voran die letzte Ruhestätte des Tutanchamun und das Sammelgrab für die Söhne von Ramses II., das von großer Fruchtbarkeit zeugt.

Wer nach Ägypten reist, will womöglich nicht wieder heimreisen, ohne das Wahrzeichen des Landes aus der Nähe gesehen zu haben: Die Pyramiden. Mit einem Badeurlaub am Roten Meer lässt sich die Besichtigung des davon gut 600 Kilometer entfernten Weltwunders im Prinzip nur mittels eines Inlandfluges verbinden. Den Kairo-Trip bucht man besser bei anderer Gelegenheit und als eine dann vielleicht stärker kulturhistorisch orientierte Städtereise. Katinka Fischer

Quelle Allgemeine Zeitung online)