Noch eine schöne Episode aus dem ägyptischen Fernsehen, die mir aus Kairo berichtet wurde. Auf dem Sender "Al Kahera wal Nas" war vor ein paar Tagen eine hochrangige Moslemschwester aus dem aufgelösten Parlament in einer Gesprächssendung und ließ verlauten, 80% der Ägypter stünden hinter Mursi und 45 Millionen hätten für ihn demonstriert. So viel zu Realitätsbezug...
Als ihr dann von einer anderen Dame mitgeteilt wurde, sie wäre die schlechteste Frauenvertreterin aller Zeiten im Parlament gewesen und hätte sich null für deren Rechte eingesetzt, verließ sie aufgebracht die Sendung.
Ich möchte noch auf den Punkt "Hitler" eingehen. Ob man Mursi mit Hitler vergleichen kann und sollte, ist die eine Frage. Wann es aber aus demokratischer Sicht richtig und legitimiert ist, ein gewähltes Staatsoberhaupt durch Proteste und/oder Armee abzusetzen, ist eine völlig berechtigte andere Frage. Hat die Demokratietheorie eine Antwort darauf? Wenn der Journalist meint, Hitler sei auch gewählt worden, dann hat er ja durchaus einen Punkt. Da braucht man sich nicht aufregen sondern sollte lieber Stellung beziehen, wann denn ein Eingreifen z.B. der Armee richtig wäre. Historisch betrachtet haben wir Deutschen nicht allzu gut ausgesehen bei der Wahl des richtigen Zeitpunkts für einen Versuch, zu autoritären Herrschern gewordene gewählte Staatsoberhäupter abzusetzen. Es ist ja z.B. nicht so, dass man rechtzeitig gegen Hitler eingeschritten wäre... Etwas Zurückhaltung von deutscher Seite wäre deshalb bei der Beurteilung der Geschehnisse in Ägypten sicher angebracht.
Die Heuchelei die wir uns teils von westlichen und sonstigen Politikern anhören müssen, ist erbärmlich. Gerade erst meldete sich z.B. Südafrika zu Wort und meinte, seinen Senf zur möglichen Auflösung der pro-Mursi-SitIns abgeben zu müssen. Das ägyptische Fernsehen ließ es sich nicht nehmen, Bilder aus Südafrika rauf und runter zu spielen: nämlich die, wie die Polizei einen Streik von Mienenarbeitern gnadenlos zusammenschießt. Es gab damals viele Tote. Auch die Äußerungen aus den USA werden offenbar gern in Relation gesetzt: Es wird gezeigt, wie die Polizei äußerst brutal gegen friedliche und unbewaffnete Occupy-Wallstreet Demonstranten vorging (die kurzzeitig oder für ein paar Tage mal einen Platz blockierten). Nicht zu Unrecht wird die Frage gestellt, wie sich wohl die amerikanische Polizei verhalten hätte, wenn bei der Auflösung auf sie geschossen worden wäre. Und man vergisst nicht zu erwähnen, dass die Mursi-Leute jetzt seit einem Monat eine der ganz großen Hauptverkehrsachsen in Kairo blockieren. Weitere Beispiele könnte ich jetzt auch noch nennen.
Ich denke: Hier sollten einige mal vom hohen Ross runterkommen. Ein falsches und verwerfliches Vorgehen der Polizei andernorts rechtfertigt aber natürlich auch nicht die gleiche Sch*** in Ägypten. Aber es gilt die alte Regel: Man sollte die Nase nicht zu hoch tragen und erstmal vor der eigenen Haustür kehren.
Wie schwer es für Journalisten derzeit ist zu berichten, das zeigt anschaulich mit Beispielen Zeinobia:
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