Ezbet Muhammed Tuleib in der Oase Charga / Kharga

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Ezbet Muhammed Tuleib in der Oase Charga / Kharga

Beitragvon Isis » Do 06 Feb, 2025 16:09

Heute will ich euch einmal ein paar nicht ganz so bekannte Orte in der
Oase Charga / Kharga zeigen, die aber auch einen Besuch wert sind.

Wir haben uns entschieden, auf dem Weg nach Qasr el Labacha
zuerst einen Abstecher zur spätrömischen Festung und Siedlung in der Nähe des
Dorfes Ezbet Muhammed Tuleib / Izbat Muhammad Tulayb zu machen.
Die Festungsanlage wurde nach dem „modernen“ Dorf benannt und wie
so oft habe ich auch hier wieder sehr viele verschiedene Schreibweisen gefunden.

Muhammed Tuleib - Muḥammad Ṭuleib - Ain Tubeib -
Ain T`uleib - Tulayb - Ain Tuleib

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Die Festung / Militäranlage liegt ca. einen Kilometer weit vom Fruchtland entfernt.
Wer keinen Jeep hat (wie wir) muss sein Auto stehen lassen und eine
schöne kurze Wanderung machen.

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Aber vorweg haben wir auf dem Weg schon einmal die neue
Aussaat begutachtet. Echt beeindruckend wie die zarten Pflänzchen
gegen den Sand der Wüste ankämpfen und auch gewinnen.
Auch war die Bewässerungstechnik sehr interessant.

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Von hier am Rande der Felder kann man die Festung schon
erkennen, also nicht allzu weit weg, wie man sieht.

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Wir haben die kleine Wanderung durch den weichen Wüstensand aber
auch sehr genossen und konnten einige Spuren von
Wüstenbewohnern entdecken.

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Das North Kharga Oasis Survey (NKOS) unter der Leitung von Salima Ikram
und Corinna Rossi begannen 2001, die antiken Karawanenrouten und
die spätrömischen Anlagen im Bereich der Oase Kharga zu untersuchen
bzw. katalogisieren, da frühere Reisende die Oasen immer nur am Rande
kurz erwähnten. Die wichtigsten archäologischen Stätten, die von NKOS
untersucht wurden, sind (von Norden nach Süden): Ain Gib,
Qasr el-Sumayra, Ain el-Lebekha, Muhammed Tuleib,
Ain el-Tarakwa, Ain el-Dabashiya und dann weiter
nach Westen Umm el-Dabadib und Ain Amur.

2001 wurde Muhammed Tuleib auch einer Vorstudie unterzogen.
Das Gelände und Festung selbst befanden sich in einem so schlechten
Erhaltungszustand. Und aufgrund der Tatsache, dass hier auch noch - bedingt durch
eine große Wanderdüne - zu viel Sand hätte bewegt werden müssen, hat man
sich entschieden, es hier bei Sichtungsarbeiten zu belassen.

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Die zwei größten Mauern messen heute noch 22m x 16m.

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2004 kehrten sie wieder hierher zurück, um das Areal genauer zu untersuchen.
(Leider habe ich keine detaillierte Karte von der Festungsanlage gefunden.)
Sie haben herausgefunden, dass diese Anlage hier wohl zuerst aus einem
Tempel bestand und später mehrfach umgebaut und zu einer befestigten
Militäranlage erweitert wurde, so dass sich der Tempel im Mittelpunkt des Ganzen
befunden haben soll. Sehr eindrücklich sieht man hier, wie eine der
Außenwände sich nach innen gedrückt hat.

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Erst einmal fällt unser Blick aber auf die Tempelfassade, die man nur hier an der
Ostwand von außen sieht. Eindeutig sind die Struktur eines Hohlkehlen-Gesims und einer
Türlaibung mit Rundstab zu sehen, und im Schatten kann man auch eine Türe erkennen.
Es bleibt zu mutmaßen, ob das der einzige Zugang zum Tempel war, denn wie Salima Ikram
schreibt, macht es der Verfall und die Umbauarbeiten unmöglich, das genau zu bestimmen.

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Bei den Arbeiten wurde festgestellt, dass der
Tempel verputzt und bemalt war. Sowohl Bilderreste von Königs- und Götterfiguren,
als auch Bilder von Papyrusdickichten verzierten den Tempel.
In der Nähe der Tür wurde auch ein Teil einer
Inschrift entdeckt. Sie wird wie folgt übersetzt:
„Worte gesprochen von Horus, Sohn der Isis, Herr von Uu-[…]“
leider fehlt der Wichtige Teil mit der genauen Ortsangabe.
In der Spätzeit hatte der Name „uu“ die Bedeutung Ackerland und es folgte dann
eigentlich der Name eines Gottes oder eines Gebietes; aber genau das fehlt hier
leider. Somit kann der Ortsname nicht festgestellt werden.

Wir betreten die Festungsanlage nun auch an der Ostseite.

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Aufnahme: NKOS Salima Ikram / Corinna Rossi 2004
aus (MDAIK), Bd. 63 (2007) Tafel 24.b.


In Inneren ist leider nichts mehr vom einstigen Tempel zu sehen; auch der
Rest der Anlage war nicht mehr genau zu bestimmen.
Man erkennt noch an den Gewölben, dass die Anlage ehemals zumindest aus zwei
Stockwerken bestanden haben muss.

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Wir verlassen die Festung nun auf der Westseite und
finden auch hier noch Stücke bzw. Reste der weiß verputzten Mauer.

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Das NKOS unterzog das Areal auch einer magnetometrischen (geophysikalischen)
Untersuchung um sie mit minimalem Aushub zu dokumentieren.
Bei diesen Magnetfeldmessungen wurde eine große Siedlung
mit mehrere Brennöfen gefunden, woraus sie schlossen, dass es sich
hier um eine Siedlung mit bedeutender industrieller Aktivität handelte.

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Es wurden auch zwei Hauptfriedhöfe lokalisiert; der größere
der beiden befindet sich im Osten und ein kleinerer im Nordwesten.
In der Nekropole wurden zwei Grabtypen gefunden, Flach- sowie auch
Schachtgräber wurden für die Bestattungen individuiert.

Auch wurde mit GPS (Global Positioning System) und Luftaufnahmen gearbeitet,
um ein Gesamtbild der Stätte zu erhalten, unter anderem, um die alten Bewässerungssysteme
und Anbaugebiete zu identifizieren und aufzuzeichnen.

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Nun noch etwas zu den Resten der Umfassungsmauer, die noch zu sehen ist.
Leider haben sich auch hier, wie an vielen anderen Orten, die Siedler im Laufe der Zeit
am Baumaterial bedient, und den Rest hat dann der Sand verschluckt.
27m östlich der Festungsanlage sind noch Reste eines einstmals
monumentalen Tores zu erkennen. Es wird angenommen, dass es
von der Umfassungsmauer flankiert wurde.

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Auf unserem Rückweg haben wir ca. 160m weiter Südwestlich
auch noch diese Reste der mutmaßlichen Umfassungsmauer gefunden.

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Anhand der vielen Bruchstücke, die hier überall verstreut herumliegen,
ist es ersichtlich, dass die Lehmziegelmauer einst auch weiß verputzt war.

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Weiter führt unser Weg wieder zurück zum Bus durch diese
schöne Landschaft.

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Daniel Jackson
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Re: Ezbet Muhammed Tuleib in der Oase Charga / Kharga

Beitragvon Daniel Jackson » Do 06 Feb, 2025 20:12

Sehr schöner Bericht, informativ wie immer. :)
Autor des Reiseführers "ÄGYPTEN - DAS NILTAL von Kairo bis Abu Simbel"
Geschichten aus und über Ägypten: Toms-Notes.com