Ägyptische Unsitten

Hier könnt ihr Einsteigerfragen zu Ägyptologie, Tempeln, Götter usw. stellen, aber auch zur gegenwärtigen Kultur, dem Land und seinen Menschen Stellung beziehen

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Conny-BS
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Beitragvon Conny-BS » Mo 10 Mai, 2010 09:21

bint_hathor hat geschrieben:Trotzdem ist es schon schwer zu begreifen, dass man erst mal den schlechtesten Ruf hat, bevor man etwas anderes beweisen kann... :roll: LG, bint_hathor


Stimmt liebe bint_hathor.

Es ist - in den Touristengegenden jedenfalls - ein generelles "Pauschalurteil" alleinreisenden Frauen gegenüber und es wird mit zuzug junger Männer aus der "Pampa" immer schlimmer. Denn bevor sie von zu Hause abreisen, "wissen sie schon", oder meinen es jedenfalls, was vor Ort abgeht.
Ihr wisst doch wie das ist: Einer erzählt eine Geschichte, der nächste packt von seiner Phantasie ein bisschen hinzu usw.. ......

Ich bin bereise das Land seit über 15 Jahren - hab es aber noch nie so schlimm empfunden wie in den letzten Paar.
"Al-barr yib `id `an ash-sharr"
(Die Wüste hält vom Schlechten fern - altes Beduinen Sprichwort)

Ägypten 2024 - vom 13. März - 03. Juni

Gast

Beitragvon Gast » Fr 14 Mai, 2010 02:23

Hallo,

ich bin gerade durch Zufall auf die religiöse Grundlage des Alleinreise-Verbotes für Frauen muslimischen Glaubens resp. Frauen in einer muslimisch dominierten Welt gestoßen. Demnach untersagt der Koran an mehreren Stellen explizit, dass eine Frau nicht ohne Mahram (i.e. männliche Personen, die die Frau aufgrund von Familienzugehörigkeit nicht heiraten kann) eine Reise - egal welcher Distanz - antreten kann. Die unterschiedlichen Fassungen der Worte des Propheten können im unten angegebenen Link nachgelesen werden sowie auch die Auslegung muslimischer Gelehrter (bis zur Mitte runterscrollen, um Aussagen zu den unterschiedlichen Überlieferungen der Worte des Propheten zu umgehen).
Sehr interessant fand ich hierbei die folgenden Zeilen der verlinkten Website:

Das Gebot, dass die Frau alleine nicht reisen soll, ist nicht dazu da, um die Frau zu unterdrücken, oder sie einzuschränken, sondern dient zum Schutz der muslimischen Frau.
Der Mahram ist nicht dazu da, um die Frau permanent zu kontrollieren, sondern um ihr Schutz zu gewähren. Deshalb ist ein Mahram wie ein ernsthafter, ehrlicher, voll bezahlter Diener für eine Frau und keine Belastung für sie. Er ist auch ein Beschützer, Aufpasser und Gefährte, der ihr die höchstmögliche Fürsorge, Schutz und Dienst bereitstellt.
Die muslimische Frau hat sozusagen ihren persönlichen „Bodyguard“ immer an ihrer Seite.
Ein Mahram wird der Frau ein Schutzschild gegen Menschen mit schlechten Absichten sein und sie ist dadurch eher vor Vergewaltigungen, körperlichen Angriffen etc. geschützt.


Das könnte dann zu dem Eindruck verleiten, dass Frauen, die ganz offensichtlich auf eine männliche Begleitperson verzichten, augenscheinlich keinen Bedarf für Schutz verspüren und somit ungestrafft belästigt werden dürfen, da sie ja schließlich dagegen Vorsorge hätten treffen können. Es ist doch immer wieder schön zu sehen, wie man persönliches Fehlverhalten mit der Religion rechtfertigen kann...

Quelle: http://islam-fetwa.de/index.php?option= ... &Itemid=97

Gruß!

Daniel Jackson
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Beitragvon Daniel Jackson » Fr 14 Mai, 2010 09:05

Ohne jetzt die Seite angeschaut zu haben, wird es allein mit dem Zitat spannend: Wenn es dabei nur um Schutz geht könnte man irgendwann argumentieren, dass dieser besondere Schutz gar nicht mehr nötig sei, weil die Gesellschaft insgesamt ja muslimischer geworden ist. :roll:
Autor des Reiseführers "ÄGYPTEN - DAS NILTAL von Kairo bis Abu Simbel"
Geschichten aus und über Ägypten: Toms-Notes.com

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Beitragvon bint_hathor » Mo 17 Mai, 2010 09:08

Diese Stelle kenne ich schon - klingt ja wunderschön, aber man kann alles auslegen, wie man es braucht... ich finde es nur bedauerlich, dass so ein Schutz überhaupt nötig ist. Und vor allem finde ich es haarsträubend zu unterstellen, wenn eine Frau auf diesen Schutz verzichtet, dass sie dann mit Belästigungen, Vergewaltigungen, etc. einverstanden wäre :meise: :schrei2: :nein3:

LG, bint_hathor
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Beitragvon Sabura » Mo 17 Mai, 2010 19:46

Ich finde diese Aussage ungeheuerlich. Das kann und darf nicht sein, dass sich "Frau" nicht alleine in einem muslimischen Land bewegen darf. Da wären wir ja fast wieder im tiefsten Mittelalter. Sollte dies wirklich ein rein ägyptisches Problem sein? Nein, das hat uns auch hier eingeholt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ein muslimischer Mann der seit vielen Jahren in Deutschland lebt vor einer deutschen Frau weder Respekt hat, geschweige denn irgendwelche Weisungen von ihr entgegennimmt. Es hat in meinen Augen ziemlich viel von Mißachtung der Frau. Es mag hüben wie drüben solche und solche geben, denn auch viele "christliche" Männer haben dieses Problem aber es ist mir in meinem Beruf immer wieder begegnet, dass die meiste Mißachtung von muslimischen Mitbürgern kam.

Liebe Grüße Sabura

Ach ja, in 3 Tagen geht endlich unser Flieger, sofern der blöde Vulkan nichts dagegen hat. Wir freuen uns schon riesig, endlich wieder Sonne

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Beitragvon bint_hathor » Di 18 Mai, 2010 08:02

Hallo, Sabura,

das ist bestimmt kein rein ägyptisches Problem - der Koran gilt ja nicht nur dort. Natürlich wird den Frauen eingeredet, dass das alles nur zu ihrem Besten ist. Was zu meinem Besten ist, möchte ich allerdings gerne selbst entscheiden - aber vergessen wir nicht, dass wir das hier auch nicht schon seit Urzeiten tun können... oder ist euch vielleicht bekannt, dass Frauen in der Schweiz erst seit 1971 das aktive und passive Wahlrecht haben - in Appenzell sogar erst 1990 (http://de.wikipedia.org/wiki/Frauenstim ... er_Schweiz) :roll: ?!

LG, bint_hathor
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Beitragvon Sabura » Di 18 Mai, 2010 13:18

Hallo bint hathor,

doch, das mit der Schweiz ist mir bekannt und trotzdem, ich muß dir absolut recht geben, ich möchte auch gerne selbst entscheiden wohin ich gehe und was ich tue. Wir werden das auch wahrscheinlich nicht ändern können aber wehren, das können wir.

LG sabura

Jana_Luxor

Beitragvon Jana_Luxor » Sa 28 Apr, 2012 21:29

Ich finde es erschütternd, wie die Dinge sind.

Ich bemühe mich als Europäerin so weit ich kann, dem sittlichen und moralischen Empfinden der Ägypter gerecht zu werden, wenn ich im Land unterwegs und nicht eben nur auf Hotelterrain bin. Ich bin körperbedeckt, haarbedeckt, trage Sonnenbrille gegen "falsche" Blicke, lasse meinem Mann und meinem Sohn den Vorrang und warte schweigend, wenn Einheimische sich mit meinem Mann in Verhandlungen manövrieren.

Meinem Mann ist das nicht recht, weil er nicht gern hinnimmt, dass die westliche Gleichberechtigung und Achtung der Frau hier so mißachtet wird. Aber so what, wir packen es.

Trotzdem hagelt es - in Gegenwart meines Mannes! - schleimige Komplimente und mich hat auch schon ein Touristenpolizist begrabscht! Mein Mann wagte nicht, ihn dafür zur Rede zu stellen, weil wir nicht wußten, wohin ihn und uns das am Ende geführt hätte.

Dennoch liebe ich das Land und die Leute immer noch und wir werden auch wiederkommen.

Gibts denn überhaupt DAS Mittel, um als Europäerin in Ruhe gelassen zu werden?

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bint_hathor
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Beitragvon bint_hathor » Mi 02 Mai, 2012 08:31

Hallo, Jana,

es ist zwar anfangs befremdlich und gewöhnungsbedürftig, aber ich hab mir angewöhnt, eine arrogante Miene aufzusetzen. Das tun die Ägypterinnen ja auch. Und es wirkt. Meistens jedenfalls :wink:

LG, bint_hathor
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Beitragvon Anck-Su-Namun » Mi 02 Mai, 2012 10:15

also DAS mittel gibt es nicht, ich wohn fast 6 jahre hier, bin gekleidet wie eine einheimische und trotzdem pfeift man mir hinterher, man bekommt blicke oder ein blöder taxifahrer macht einen kussmund im vorbeifahren. es nervt einfach. begrabscht wurde ich zum glück nicht.
auch in gegenwart meines mannes machen sie es manchmal, blos der macht die dann einen kopf kleiner. gefallen lassen sollte man sich das als frau und auch als mann nicht!

was ich über die jahre festgestellt hab, das sie denken man verstehe kein arabisch und dann reden sie dich zu mit liebeserklärungen etc., es gibt auch solche die so doof sind, die glauben nur die frau verstehe was sie sagen und der ehemann der direkt daneben steht nicht... oh man.

naja, man kann auch einen polizist anschnauzen wenn er sich an einen ranmacht oder gar begrabscht. als tourist ist man da auf der sicheren seite, sie können dir genau genommen nix tun, sie haben selber angst vor den konsequenzen mit dem namen "deutsche botschaft" und das gibt dann für den mächtig ärger, da es dann grosse kreise zieht. eine einheimische frau würde dies aber nicht machen, da sie dem polizisten bzw. dem staat komplett ausgeliefert ist, sie würde sich höchstens lautstark beschweren auf offener strasse oder eben stillschweigend weiter gehen und tun als ob nix gewesen wär.

sinnvoll ist es sich ein paar schimpfwörter in arabisch anzueignen, englisch tuts auch, aber arabisch is wirkungsvoller.
ich wurde vor ein paar jahren im museum belästigt, ein typ der mir fast 2h nachgelaufen ist und mir liebeserklärungen auf 20 verschiedenen sprachen gemacht hat, wirklich ohne mist, er fing an mit englisch, dann deutsch, französisch, spanisch, italienisch, arabisch...

oben bei tutanchamun, wo besonders viel leute sind, hab ich mich umgedreht und ihn mit der faust die nase gebrochen und ihn laut als dreckiger hund beschimpft auf arabisch, so laut das von überall her security kam und sogar die touris. der typ wollte abhaun, weil er wusste es gibt ärger, normalerweise rechnet er damit nicht weil viele so tun als ob sie ihn nicht hören, aber nach 2h hat ich die nase voll, zumal es nich das erste mal war. ich hab der security mit englisch-arabischen mischmasch erklärt was los ist und die haben ihn dann auf allen vieren rausgetragen und der stellvertretende direktor hat mir fast die füsse geküsst vor lauter "I´m so sorry, I´m so sorry!".

also ich sags mal so, je nach situation handeln und nicht vergessen als tourist bist du sicherer bzw. dir ist mehr erlaubt als den einheimischen, da dir keiner was tun kann wegen deiner staatsangehörigkeit.

Anck-Su-Namun
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Beitragvon Anck-Su-Namun » Mi 02 Mai, 2012 10:16

achja, wenn man natürlich in hot shorts rumkläuft, muss man sich nicht wundern über anmache, aber leute wie wir, die sich schon verhüllen um sich anzupassen bzw. um auch diese lästige anmache abzumindern, können sich dann auch mal wehren, denn genug ist genug!

Jana_Luxor

Beitragvon Jana_Luxor » Fr 04 Mai, 2012 21:47

Ok, bint_hathor, dann übe ich jetzt den "Böseguckblick". ;)

Das war unser Problem, Anck, dass wir uns nicht wagten, den Touristenpolizist zur Rede zu stellen, weil wir über unsere Rechte nicht besser informiert waren. Mein Mann sah sich schon in einem Gefängnis sitzen, weil er einen Militärangehörigen herausgefordert hätte.

War ja nicht, wir haben eben einfach geschwiegen.

Und ich trage in Ägypten (ok, wir sind nur in Luxor) nie etwas anderes als knöchellange Kleider oder lange Hosen sowie bedeckte Arme und eben ein Tuch auf dem Kopf. Normalerweise ist das auch immer ok so.

Die schleimigen Komplimente kommen ja immer bei Verkaufsverhandlungen zum tragen, die überhöre ich oder rolle deutlich mit den Augen.

Dagegen kann ich gut ehrlich gemeinte Komplimente annehmen. So von unserem Bekannten, der auch unsere Ausflüge managte. Er war ganz begeistert von meiner Liebe zur ägyptischen Geschichte, meinem Wissen, unserem Interesse und auch, wie respektvoll wir uns kleideten und verhielten. Aber er ging nie so weit, persönlicher zu werden und körperlich bezogene Komplimente zu machen. Ebenso wenig jene Männer, die für und mit ihm arbeiteten und unsere Ausflüge zu dem machten, was sie waren: eine Freude, weil sicher und abseits der Touri-Touren.