Qasr el-Banat das antike Euhemeria / Euhemereia
Qasr el-Banat das antike Euhemeria / Euhemereia
Heute nehme ich euch noch einmal mit in die Oase el Fayoum.
( Fayyum - Becken, auch Fajum, Fajjum oder Faijum )
Und wie ihr es von mir kennt natürlich zu einem touristisch nicht sehr bekannten Ort:
Zum antiken Euhemeria / Euhemereia, heute bekannt als Qasr el-Banat
Wie ihr ja alle wisst, bekommt man als Touristengruppe immer Polizeibegleitung
dazu. Wenn man dann noch Glück hat und die Staatsdiener kennen den Ort, dann
sollte man ihn ja eigentlich finden, oder?
In unserem Fall wusste allerdings unser Fahrer wohin wir wollten.
Und so fanden wir - und unsere Begleitung - auch das gesuchte Ziel.
Wer dort auch einmal vorbeischauen möchte, hier die Koordinaten: 29.373714° 30.54314°
Der antike Name der Stadt Euhemeria wurde auf einem Papyrus aus dem
Jahr 243/242 v. Chr. gefunden. Der heutige arabische Name Qasr el-Banat
geht wohl auf die Lage zurück, die sich direkt neben dem Flüsschen
Bahr Banat befindet. Heute sind die „Reste“ der antiken Stätte von Feldern umgeben,
was uns auch schon zum Erhaltungszustand bringt. Denn die Landwirtschaft hat sich im
Laufe der Jahrhunderte ausgedehnt. Somit wuchs die Bevölkerung nicht nur an,
sondern bediente sich auch eifrig an den vorhandenen Baumaterialien.
Die ersten wissenschaftlichen Arbeiten (die ich gefunden habe) wurden vor Ort in
Qasr el-Banat („Der Palast der Jungfrauen“) am 9.12.1898 von
Grenfell, Bernard P. (Bernard Pyne, 1869-1926 – Papyrologe) und
Hunt, Arthur S. (Arthur Surridge, 1871-1934 – Papyrologe) begonnen.
Später stieß noch der Archäologe Hogarth, D. G. (David George, 1862-1927) dazu.
Ihr wissenschaftliche Ausarbeitung über die vierwöchige Ausgrabung wurde unter dem Titel:
„Fayum towns and their papyri“ (1900) herausgegeben.
In meinem Bericht hier stütze ich mich auf die Angaben dieses Buches.
Das ganze Areal soll 400 × 400 m umfasst haben. Laut Grenfell und Hunt eben eine
viertel Meile. Die meisten Häuser wurden aus ungebrannten Ziegeln errichtet und von
innen mit Lehm verputzt. Mit ein Grund dafür, dass von der Stadt selbst nicht mehr viel
erhalten blieb. Wie üblich ging man beim Hausbau sehr sparsam mit Steinen als Baumaterial
um. Es wurden einige Fragmente von Kalksteinsäulen gefunden, gelegentlich wurden Steinblöcke
in Türöffnungen verwendet. Zu erwähnen ist vielleicht auch, dass Reste einer verputzten
Wand mit Darstellungen von Göttern, bzw. nur noch deren Füße, und demotischen Graffiti gesichert
werden konnten. (heute in Kairo im Museum zu sehen).
Die besterhaltene Stuckatur ist das Badehaus, das einem als erstes auffällt,
wenn man das Areal von der Straße aus betritt.
Hier haben wir ein typisches Beispiel eines griechisch-ägyptischen
Tholos (Rund)-Bades, das hier weit verbreitet war. Über die Oase verteilt
wurden noch vier weitere Standorte von „Rund“-Badehäusern gefunden.
In Euhemeria, soll es sogar zwei davon geben. Die Literatur sagt, dass sich
das zweite im östlichen Teil des Dorfes befindet.
Wir selbst haben es aus Zeitmangel nicht gefunden.
Der Aufbau der klassischen Tholos-Bäder war meist identisch - bis auf wenige Erweiterungen
die während der zweiten Hälfte der ptolemäischen Zeit vermehrt auftraten.
Hier haben wir eine Badeanlage die in der ersten Bauphase als klassisches
Badehaus begonnen und später modifiziert wurde (dazu später mehr).
Die Bäder dieser Zeit weisen fast alle die gleichen Abmaße auf.
Durchschnittlich meist : 16–18 m × 15–20 m, also ca. 300 m². Auch der Grundriss mit
der Abfolge eines „Eingangsbereichs“, eines „Reinigungsbereichs“ und eines „Heizbereichs“
waren bei allen gefundenen Bädern gleich. Zum besseren Verständnis des Bades
hier in Euhemeria / Qasr el-Banat habe ich den Plan bearbeitet,
damit man die Abfolge des Badevergnügens besser nachvollziehen kann.
(Original Plan zu finden in „Bathing in the shadow of the pyramids. Greek Baths in Egypt,
Back to an Original Bath Model“, Thibaud Fournet, Bérangère Redon)
Betreten wurden die Badehäuser über große Vorräume / Eingangshallen -
wir würden heute sagen über die Umkleidekabinen. Wie ich gelesen habe,
wurden auch Papyri gefunden, in denen die Thematik von Diebstählen in Badehäusern
behandelt wurden. Wie es hier war, kann uns leider niemand mehr sagen.
Danach ging man dann weiter und kam zu den runden Tholoi Bädern. Meist waren es zwei,
da auch damals schon Männer und Frauen in öffentlichen Bädern getrennt waren.
Die Bäder waren mit Sitzbadewannen ausgestattet, in denen dem Badenden Wasser
gereicht oder aber die Person von oben mit Wasser übergossen wurde.
Hier sehen wir, dass es sich um zwei unterschiedlich große Bereiche gehandelt hat.
Das erste Bad verfügte über 25 Sitzplätze bzw. Sitzbadewannen, das zweite weist nur 18 Plätze auf.
Und nun wie oben erwähnt zu den modifizierten Varianten der Badhäuser.
Hier sieht man noch gut, dass das ägyptisch-griechische
Bad in seinem Uhrsprung wohl über zwei gleichgroße Tholoi Bäder verfügt hat.
Auch auf dem Google Bild ist gut zu erkennen, dass beide
identisch angelegt waren. Das Ganze ist vermutlich in der zweiten Bauphase
den Anforderungen hier angepasst worden. Das zweite Badehaus das auf
dem Gelände von Qasr el-Banat gefunden wurde, soll über zwei gleichgroße Becken
verfügt haben. Auf die Frage, weshalb in Euhemeria zwei unterschiedlich große
Badehäuser auf so engem Raum gebaut wurden, habe ich leider keine
Antwort in der mir zur Verfügung stehenden Literatur gefunden.
Die Eingänge zu den einzelnen Becken liegen sich gegenüber und waren einst
durch einen Gang getrennt. Nach der ausgiebigen Reinigung begab
sich der Badegast in den wie wir heute sagen würden Wellnessbereich
bzw. Entspannungsbereich, der drei warme Räumen umfasste.
Das Entspannungsbad bestand aus zwei Warmwasser-Becken, im nächsten Raum
befanden sich die Tauch-Badewannen. Wir haben sie leider nicht mehr
ausmachen können, da der Bereich heute leider zu sehr zerstört ist.
So blieb uns nur, noch einmal die ca. ein Meter hohen Reste und deren Aufbau
bzw. Erhaltungszustand zu bewundern.
Was vielleicht noch zu erwähnen ist, dass man noch sehr gut den Aufbau der
Ziegelarbeiten an der Seite erkennen kann.
Grenfell und Hunt machten nordwestlich des Areales einen Tempel aus. Auch dieser war
nur aus ungebrannten Ziegeln erbaut und großteils
abgetragen worden. Einige kleinere Kammern waren wohl aber noch nicht geplündert.
Sie fanden dort bei der Grabungsarbeit hauptsächlich demotische Papyri, einige römische und
auch spät-ptolemäische Dokumente, sowie viele Ostraka.
Auch konnten sie mehrerer Bronzen, ein Weihrauchgefäß und eine Osiris-Statuette sichern.
Allerdings ist nicht ganz klar, für welche Gottheit die Tempelanlage errichtet wurde.
Ein demotisches Fragment erwähnt „Isis mit dem schönen Thron“, auf einem anderen aus
der spät-ptolemäischen Zeit findet sich „Isis, die Göttin [Mutter], Harsiesis, der große Gott,
und ... der große Gott und die mit ihr vereinten Götter und Göttinnen“.
Auf der Südseite des Areals fanden sie mehrere hundert Papyri
aus der Regierungszeit von Domitian und Trajan.
Ein Haus war dabei sehr auffällig, das des Lucius Bellenus Gemellus.
Aus den Briefen ging hervor, dass er ein entlassener Veteran
und hier ein bedeutender Landbesitzer war. Aus einem Vertrag aus dem
Jahre 100 n. Chr., in dem es um seine Ölpresse geht, geht hervor, dass er zu
dem Zeitpunkt 67 Jahre alt war. Sein letzter Brief datiert in das Jahr 110 n. Chr.,
schrieb ihn also im Alter von 77 Jahren. Die meisten Briefe bezogen sich auf
die Verwaltung seiner Ländereien. Die besaß er nicht nur hier in Euhemeria,
sondern auch in Dionysias, Apias, Senthis, Psennophris und Psinachis.
Außerdem wurde eine Bestellung an Vorräten für ein großes Fest gefunden.
Nur ist nicht ersichtlich für welches Familienmitglied diese Feier ausgerichtet wurde.
Durch die Korrespondenzen kennen wir auch einige Familienmitglieder,
wie z.B. seine Söhne Sabinus, Harpokration und Lycus, seine Tochter Gemella und
seinen Bruder Marcus Antonius (?) Maximus sowie einen Neffen (?) Namens Epagathus.
(Die Papyri dazu findet ihr im Buch „Fayum towns and their papyri“, 1900)
Hier nur mal einer der vielen Briefe
In diesem Haus wurde auch ein Stele (89,5 x 51,5 cm) gefunden.
(heute in Kairo im Museum)
Sie wurde recycelt, mit der Rückseite nach oben als Türschwelle wiederverwendet.
Leider waren die durchschnittlich 2 cm hohen Buchstaben so sehr zerstört,
dass Grenfell und Hunt mehr spekulieren mussten, als dass sie die griechische
Inschrift lesen konnten. Es handelt sich um eine Kopie einer Petition, die an den König
gerichtet war. Der obere Teil des Steines wurde wohl bei der Wiederverwendung
einfach abgeschnitten, um ihn als Türschwelle passend zu machen. So fehlt leider
auch ein beträchtlicher Teil der Inschriften. Es geht aber wohl um das Asylrecht im
Zusammenhang mit einem neu errichteten Tempel. Also das Recht auf Unverletzlichkeit
für Bewohner, sowie für die, die vorübergehend Zuflucht in diesen Mauern suchten.
Wie weiter zu lesen ist, wurde so dem Tempel dieses Privileg gewährt.
Um den (gefundenen) Haupttempel kann es sich dabei aber nicht handeln, denn der wurde
schon früher gegründet. Was zur Frage führte, ob sich hier einst sogar zwei Tempel befunden haben?
Die besterhaltenen Papyri fanden die Forscher in kleinen Kammern von nicht
einmal einem Quadratmeter. Da deren Zugang nur von oben möglich war, identifizierten sie
die Kammern als Getreidespeicher. In solch einer Kammer fanden sie unter anderem
vier zusammengebundene Papyrusrollen aus der frühen Regierungszeit des Augustus.
In den anderen Speichern befanden sich Dokumente aus der Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr.
Da Grenfell und Hunt in ihrem Buch nicht näher auf die Inhalte solcher Papyri eingehen,
habe ich bei „Urkunden römischer Zeit“, H. Maehler eine Übersetzung von drei der in
Euhemeria gefundenen Papyri, die sich in Museen zu Berlin befanden, näher betrachtet.
Alle drei wurden für einen Aieus, der sicher der Pächter war,
vom selben Sitologen (Steuerbeamter der Königlichen Kornspeicher) ausgestellt.
Hier ein Beispiel solch einer Jahresquittung
„Kontoauszug“ der Sitologen (Nr. 2078) 209 n.Chr.
Zitat: „Im Jahre 17 des Lucius Septimus Severus Pius (Pertinax)
und des Marcus Aurel Antoninus Pius, der Augusti, und
des Publius Septimius Geta Caesar Augustus, Pauni 8. Syros,
Sohn des Heron, und Pinis, Sohn des Eudaimon, und die
Kollegen Speicherverwalter von Euhemeria (bescheinigen):
Es wurden abgeliefert von der Ernte desselben (Jahres)
nach dem staatlichen, gestrichenen Maß im Namen des Aieus,
Sohnes des Punás, des Bauern (an Weizen Artaben) achtzig,
in Zahlen: Weizen Art. 80, ... (...) ... weitere Artaben neunzig
(... und 1 Vier) und zwanzigstel, in Zahlen: ... Art. 90
(..., und ... Artaben …) dreißig, ...“
Ich finde es immer wieder spannend, was wir alles über das Leben im alten Ägypten
herausfinden können. Aber ich glaube, ich schweife etwas ab.
Deshalb zurück ins Hier und Jetzt.
Wie ihr sehen könnt, ist der ganze Boden übervoll bedeckt mit Keramikresten.
Auch wenn man versuchte, auf keine Scherben zu treten, es war bei dieser Menge unmöglich.
Hier eines der vielen Bilder von Grenfell und Hunt mit einigen Keramik-Funden.
In der Ferne sahen wir dann aber doch noch größere Fundstücke,
die man sich näher betrachten könnte.
Gesagt – getan.
Vor Ort konnten wir uns nicht erklären, für welchen Zweck dieser große Bottich,
der sicher einstmals auf dem Boden stand, Verwendung fand. Ich habe aber gelesen,
dass in dieser Gegend wohl eine Weinpresse vermutet wird. Deshalb geht man davon aus,
dass er bei der Wein-Herstellung genutzt wurde.
Auch befinden sich hier noch ein alter Mahlstein sowie ein rundes Gebilde,
von dem ausgegangen wird, dass es sich um die Reste einer Wendeltreppe handelt.
Wo ich nochmals bei Funden bin, ein kleiner Auszug davon, was Grenfell und Hunt 1900
hier gemacht haben. Diese - sagen wir mal „organischen“ - Fundstücke, fand ich persönlich
sehr spannend, da sie auch einen kleinen Einblick in das Alltagsleben geben.
Das war es auch schon wieder von unserem kurzen Besuch
in Euhemeria / Qasr el-Banat,
das im vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung
verlassen und somit dem Verfall preisgegeben wurde.