Salam, ihr beide!
da dies unsere erste individuelle Tour wird, bin ich über jeden Tip dankbar. (Bisher haben wir nur geübt und uns immer öfter von der Reisegruppe getrennt .
Mein lieber Schwan! Da habt ihr euch aber was vorgenommen! Aber soviel vorab: der ärgste und angsteinflössendste Feind in Kairo ist man immer noch selbst.
Wie ich das meine?
Die Stadt wirkt auf den Europäer schnell ein bißchen beängstigend; ihr werdet kaum ein Wort oder eine Zahl lesen können und die arabische Sprache hat mit der unsrigen nun gar nichts mehr zu tun. Zudem die fremden Geräusche und Gerüche und die fremden Gewohnheiten; von einer faktisch völlig fehlenden Straßenverkehrsordnung reden wir ja gar nicht. Über diesen Umstand hier lacht kein Kairo-Kenner: angeblich soll die Stadtverwaltung Schilder aufgestellt haben, die mit einem Pfeil auf Ampeln zeigen. Auf arabisch soll auf dem Schild dringend um Beachtung der Lichtzeichen der Ampel gebeten werden.
Ich hatte mich damals auf meine Kairo-Tour wirklich sehr üppig vorbereitet, mit (Fach-) Literatur eingedeckt und mit so einigen Orienterfahrenen unterhalten. Je näher der Tag der Abreise rückte, desto stiller wurde ich. Aber kaum dass ich meine ersten 24 Stunden in Kairo zugebracht hatte, fühlte ich mich fröhlich, traumwandlerisch sicher und frei von allen erdenklichen Umtrieben wie: "Kannste DA wohl hin ... ?
Klar kannste!
Aber Kairo ist eben doch sehr viel anders als jede andere vergleichbare Stadt. Das hängt unter anderem natürlich auch mit der extremen Unterschiedlichkeit der Lebens- und Ausdrucksweisen zusammen. Kennt man sie nicht, könnte es in bestimmten Situationen Problemchen geben.
Hier ein paar tagespraktische Tips zum Umgang mit Kairo:
U-Bahn
Das Netz ist leider nicht sehr üppig ausgebaut; schon seit vielen Jahren verspricht man eine direkte Anbindung an Gizeh, was ja gerade den Touristen schon wegen der Pyramiden sehr reizen würde. Mit ein wenig Glück hat man die Strecke schon ein bißchen vorgetrieben; für mich war seinerzeit (2000) an der Haltestelle "Cairo University" Schluß. Ab da mit Taxi weiter oder für gaaanz Mutige auch zu Fuß. Mutig, weil die Strecke sehr weit ist.
Übrigens, Vorsicht!: einige Taxifahrer nehmen irgendwo in der Nähe Gizeh spontan und plötzlich Mitfahrer auf; es soll sich angeblich um rein zufällig getroffene Freunde oder Verwandte handeln. Nach kurzem Plausch auf arabisch verlässt der Taxifahrer plötzlich die Strecke und steuert einen Reiterstall an. Dort wird man für teures Geld auf ein armes, gequältes Pferdegeschöpf gequengelt. SOFORT reagieren! Ich versicherte, um Ärger zu vermeiden, dem "zufällig Getroffenen" meine Freundschaft, schlug ihm lachend auf die Schulter und brüllte dafür den Taxifahrer an, er möge SOFORT halten und mich gegen halben Fahrpreis gern auf offener Strecke herauslassen. Den Ärger gäbs dann später von der Polizei. Der Ärmste, der wahrscheinlich auch nur auf Anweisung der "Pferdegestüt-Mafia" handelte, änderte seinen Kurs aber von Neuem und hielt dann doch direkt auf die Pyramiden zu. Zum vereinbarten Preis.
Seht euch vorher die Strecke auf der Karte an und haltet bei der Fahrt die Augen auf!
Die U-Bahn fährt übrigens nach dem französischen System, also haltet die Fahrkarten fest! NICHT nach dem ersten Drehkreuz fortwerfen, ihr braucht sie noch für den Ausgang. Für die U-Bahn bevorratet ihr euch am besten mit Halbpfundnoten, man wechselt entweder an den Schaltern gar nicht oder nicht ausreichend. Reklamation sinnlos. Sonst ist die U-Bahn vorbildlich sauber und schnell; wer "mal eben" von A nach B will, sollte sie nehmen. Obacht! Der erste oder der letzte Wagen ist ausschließlich für alleinreisende Frauen reserviert!
Al-Azhar-Moschee, Nähe Khan-El-Khallili
Diese Moschee wird von den meisten Leuten völlig unverständlicherweise völlig unterbelichtet, zählt aber für mich zu den Top-Highlights Kairos! Nicht nur, daß sie außerhalb Mekkas sicherlich DIE wichtigste, heiligste Stätte des ganzen Islam ist, ihre Architektur ist wirklich hinreißend schön. Sie zählt definitiv zu den bemerkenswertesten Gebäuden islamischer Architekturkunst!
Cafè El-Fishaoui, ebenfalls Nähe Khan-El-Khallili
Eines der typischsten und urigsten Cafès ganz Ägyptens. Hinsetzen, eine Shisha rauchen, Tee trinken und mit etwas Glück den ägyptischen Nobelpreisträger für Literatur, Nagib Mahfus, dort antreffen! Für Kenner und solche, die es werden wollen, ein absolutes Muss!
Fustat
Ich will hier nicht erzählen, was eh überall nachzulesen steht aber ich will die Bedeutung nochmals unterstreichen! Besucht es!
Totenstadt
Vorsicht. Entgegen zahlreicher Fremdenführer empfehle ich einen Besuch dort NICHT. Die dort Hausenden fühlen sich begafft; sie schämen sich ihrer Situation sowieso schon. Mit Ausnahme von schrecklichen Zuständen bekommt man dort auch nichts spannendes zu sehen, es sei denn, man will sich am schrecklichen Elend anderer laben. Auch für Ägypter gilt: wer dort nicht wohnen muß, geht auch nicht dort hin. Ich habe die Totenstadt nicht gesehen und bin auch noch stolz darauf.
Bettler
Sind in Kairo fast unbekannt. Betteln gilt als Schande und Sünde. Gebt bettelnden Kindern NIEMALS Geld, am besten ihr gebt ihnen gar nichts; es sei denn, sie sind euch dienlich. Ägypter bestätigen es euch gern auf Nachfrage: das erbettelte Geld zieht die Kinder an und aus den Schulen heraus; sie pfeifen auf ihre Bildung, wenn sie eine Chance auf ein paar leicht verdiente Pfund wittern. Geld & Co. erzielen hier das genaue Gegenteil von dem, was ein europäisches Weichherz erzielen möchte. Fast ausnahmslos alle ägyptischen Erwachsenen sind wütend auf diese Bettelei und begrüßen das Geben auch nicht.
Seht ihr hingegen beispielsweise Frauen an Straßenecken, die päckchenweise Tempos oder kleine Seifen feilbieten, kauft sie bitte bitte zu hoffnungslos überhöhtem Preis! Da die Frauen um die Schande beim Betteln wissen, preisen sie Kleinigkeiten an und erhoffen, daß ein mildtätiger Käufer auftaucht und seine Spende an die Ärmste als "Kauf" tarnt. Beide haben dadurch ihr Gesicht und ihre Ehre gewahrt: die Arme, da sie nicht etwas ohne Gegenleistung entgegengenommen hat und der Geber, weil er seiner islamischen Verpflichtung zur "Zakat", zur Spende an Arme nachkommt. Das ist ein ehrenvolles Unterfangen; wirst du dabei von einem Ägypter beobachtet, nötigst du ihm dadurch allein schon Respekt ab.
Kleidung
Kairo ist sehr weltoffen. Ihr findet hier auch Ägypter(innen), die sich nicht so ganz nach Landessitte kleiden. Gerade junge Frauen tragen hier mitunter auch ihr Haar offen und greifen ungeniert zum Schminkpott. Aber trotz allem: achtet bitte auf lange Hosen bzw. Röcke. Da verstehen die Ägypter durchgehend bis heute kaum bis keinen Spaß. Ist man nicht adäquat bekleidet, kriegt man beispielsweise beim Eintritt in eine Moschee einen unschön riechenden Umhang übergeworfen ....
Generelles:
Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt irgendwo in Kairo unwohl gefühlt; ob ich nun wirklich nachts durch dunkelste Ecken (es gibt nicht überall Straßenbeleuchtung!) wanderte oder durch fremdeste Viertel, egal. Ich habe Kairo als sehr sichere Stadt kennengelernt und jede Scheu vor ihren Bewohnern verloren. Ich habe nirgendwo Kriminalität, Übergriffe oder ähnliches erlebt oder gar nur davon gehört. Im Gegenteil. In einer solchen "Ecke" kam mir ein Mann auf einem niedrigen Rollbrett entgegen; beide Beine von der Hüfte an amputiert, die Fingerknöchel mit Lumpen verbunden und damit stieß er sich am Straßenpflaster ab. Wir begegneten uns, er stutzte, lächelte breit, winkte, rief mir zu: "Welcome in Egypt!" und verschwand wieder in der Kulisse. Mit ALLEM hätte ich damals gerechnet, aber DAMIT (noch) nicht.
Sehr empfelenswert ist es, einen halt- und tragbaren Stadtplan bei sich zu haben und ab und zu "Peilung" aufzunehmen um seine Position zu kennen. Das grobe Straßennetz prägt euch am besten bereits vorher ein, umso leichter fällt dann die Orientierung. Merke: in den interessanten Stadtvierteln spricht vielleicht noch jeder zehnte bis zwanzigste ein paar Bröckchen Englisch!
Wenn ihr sonst noch was wissen wollt, fragt gezielt! Sonst tippe ich hier noch nächste Woche!
Selbst er-, durch- und gelebte Fotos hier

:
www.nebtaui.de
Gruß
Nebtaui
Ich habe Deine Tipps mal in den Individualreisen-Beitrag in der Rubrik Hotel- und Reiseberichte kopiert. -Uli 04.10.2004