Surreal: Ägypten ohne Steine

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Surreal: Ägypten ohne Steine

Beitragvon Osiris » Mi 12 Nov, 2003 11:11

Die bedeutende Surrealisten-Sammlung Scharf soll ab 2005 in der gegenwärtig vom Ägyptischen Museum genutzten Stüler-Kaserne in Charlottenburg ausgestellt werden. Die Ägypter aber sollen ins Alte Museum auf der Museumsinsel ziehen, bis dann, wohl 2009, das Neue Museum wiederaufgebaut ist. Bei aller Freude über die Bereicherung bleiben Fragen: Ist es langfristig klug von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ihre Konkurrenten etwa in München - dort war den Scharf-Erben die Pinakothek der Moderne angeboten worden! - nicht aus eigener Kraft auszustechen, sondern mit Bundesgeldern? Denn die 10 Millionen Euro für den Umbau der Stüler-Kaserne sollen aus außerfahrplanmäßigen Hauptstadtzuschüssen kommen.
Noch problematischer aber ist der Umzug der Ägypter ins Alte Museum. In dessen Obergeschoss - das Hauptgeschoss ist von den Antiken belegt - sind aus statischen Gründen die für Ägypten charakteristischen Sarkophage oder großen Steinskulpturen kaum auszustellen. Die Objekte müssten also nicht nur nach Bedeutung, sondern auch nach Gewicht ausgewählt werden. Auch stünde viel weniger Raum als bisher zur Verfügung - dabei wird schon seit der Räumung des Bodemuseums 1998 nur noch ein Bruchteil der Berliner Ägyptica gezeigt. Zudem kann das Alte Museum die vielen Nofretete-Fans unmöglich beherbergen - schon jetzt kollabieren Garderoben, Toiletten und Café öfter. Und schließlich würden die Museen für dieses Provisorium die einzigen Sonderausstellungsräume auf der Museumsinsel aufgeben.

Sinnvoller ist es also, die Scharf-Sammlung erst einmal provisorisch zu zeigen, etwa im Hamburger Bahnhof - der erhielte dann auch mal etwas Alltagsleben. Die Ägypter aber sollten bis zum endgültigen Umzug auf die Museumsinsel in Charlottenburg bleiben.

Warum stimmt die Ägyptische Abteilung trotzdem der miserableren Lösung zu? Sicherlich nicht eines eitlen Wunsches ihres Direktors Dietrich Wildung wegen, doch noch vor seiner Pensionierung Ende 2005 ein neues Museum einzurichten. Auch dürfte er kaum entnervt worden sein von den vielen Ideen, die sein Generaldirektor Peter-Klaus Schuster schon für die Stüler-Kaserne hatte. Wahrscheinlicher ist, dass Wildung strategisch denkt. Er kämpft seit zehn Jahren vehement für den Umbau der Museumsinsel zum Tourismusmagneten. Dieser Umbau aber wurde kürzlich vom Bund faktisch auf Eis gelegt. Doch wenn die Schlangen vor dem Alten Museum stehen und laut klagen, wie wenig Ägypten in Berlin zu sehen ist - vielleicht lässt sich der Bund dann erweichen, finanziert doch den teuren "Masterplan" und das umstrittene neue Eingangsgebäude zum "Schnellrundgang".


(quelle: berlin online)