schön, dass ihr euch so kräftig ins Zeug legt - ich will eure Fragen mal zusammenfassen:
Der Islam, abgesehen von seiner steinzeitlichen Auslegung à la Taliben, verhindert nicht die Schulausbildung von Mädchen. Selbst in Saudi Arabien gehen Mädchen zur Schule. Auch im Iran hat der Mullah-Staat die Schulausbildung der Mädchen nicht eingeschränkt oder verhindert - in keinem islamischen Land ist das der Fall. Eine andere Frage wäre, ob die Schulbildung der Mädchen BESONDERS gefördert wird. Da gibt es noch viel zu tun.
Es gibt es auch in Ägypten erz-fundamentalistische Prediger, die gegen die Mädchen-Bildung als dem Anfang allen Übels wettern - als noch die Djamaat Islamijja in Ägypten ihre Terror-Anschläge auf Touristen verübte, geriet völlig in den Hintergrund, dass diese Organisation auch Bomben in Züge, Bahnhöfe und Mädchenschulen warf. Mädchen die eine Schulbildung haben, wollen arbeiten, d.h. das Haus verlassen, aber vor allem gehorchen sie ihren Vätern, Brüdern oder späteren Ehemännern nicht mehr bedingungs- und widerspruchslos - und das ist in den Augen dieser Steinzeitmenschen der Anfang der Unmoral. Und wohin das im Westen geführt hat, das sieht man ja an den Touristinnen.

Aber man muss der ägyptischen Regierung zugute halten, dass sie mit allen Mitteln gegen diese Organisation vorgegangen ist und es hat, abgesehen von dem Anschlag in Tabaa, keine neuen Anschläge gegeben. Die Regierung hat sie offensichtlich unter Kontrolle.
Das wesentlichste Hindernis für eine Schulbildung - übrigens nicht nur der Mädchen, Jungen sind ebenso betroffen, wenn auch in geringerem Masse -ist die Rückständigkeit und die Armut, die, wie überall auf der Welt, eben häufiger auf dem Land anzutreffen ist, als in der Stadt. Solange die Rückständigsten die meisten Kinder bekommen, und zwar nicht, weil sie so kinderlieb wären, sondern weil sie Arbeitskräfte zeugen wollen, die ihnen die Altersvorsorge ersetzen müssen und solange diese Kinder auch aus skrupelloser Gewinnsucht beschäftigt werden, solange bei den Eltern eben nicht auf Einsicht zu hoffen ist, müssen jetzt die neuen Strafgesetze dafür sorgen, dass die Kinder die Schule besuchen.
Der ägyptische Staat, das sagte ich schon, hat das Problem längst erkannt, denn dieses Heer von Analphabeten und Tagelöhnern sorgt ja seinerseits wieder für eine erhöhte Geburtenrate und stellt letztlich die Masse der Unzufriedenen, die den islamistischen Rattenfängern hinterherlaufen und die Staatsordnung bedrohen. Und ausländische Firmen werden in Ägypten keine Firmen errichten, wenn sie im Land nicht gut ausgebildete Arbeitskräfte finden. Die Ansiedluch ausländischer Unternehmen ist aber das vorrangig Ziel der Regierung Mubarak, weil sie Arbeitsplätze schaffen muss, um die horrende Arbeitlosigkeit (mehr als 30 %) in den Griff zu bekommen.
Solange Mütter selber ungebildet und unwissend sind, geben sie auch ihre Unwissenheit an ihre Kinder weiter. Ich kenne persönlich aber viele einfache Frauen, die selber nicht lesen und schreiben können, die aber ihren ganzen Einfluss auf ihre Männer ausüben, dass die Töchter zur Schule gehen können. Nur laufen diese Frauen ständig Gefahr, dass sich der Mann halt eine Andere holt und sie nach hause schickt. Die Polygamie macht's möglich und so kann ich über diejenigen Frauen nicht den Stab brechen, die die Kraft zum Widerstand nicht aufbringen.
Man sollte bei diesem Thema aber nicht vergessen, dass Ägypten einen prozentual sehr hohen Anteil an Akademikerinnen hat, die, anders als hier in Deutschland, ohne Probleme in Führungspositionen bei Behörden, Firmen, Banken und bei Funk und Fernsehen gelangen. Ich kenne sogar Frauen als Kraftwerksdirektorinnen, Vorgesetzte von Ingenieurbüros, oder Leiterinnen technischer Behörden - in vielen Bereichen, in denen sich deutsche Frauen den Zugang noch erkämpfen müssen, arbeiten ägyptische Frauen ganz selbstverständlich und von ihren männlich Untergebenen anerkannt.
Alles hat mehrere Aspekte und Pauschalierung, oder westliche Überheblichkeit sind wirklich nicht angebracht. Wenn die Regierung nur vorsichtige Reformen zulassen will, dann muss man bedenken, dass durchaus die Gefahr besteht, dass z.B. die diskutierte Parteien- und Parlamentsreform, fundamentalistisch-islamistischen Kräfte an die Macht bringen könnte - in Algerien haben ja auch die ersten freien Wahlen die Islamisten mit überwältigender Mehrheit an die Macht gebracht. Und man darf gespannt sein, ob nicht auch im Irak ein Gottesstaat entsteht.
Das Thema Beschneidung gehört ja eigentlich in einen neuen Thread - auch hier ist die Tradition einfach zu bestimmend, als dass dieses Problem, das übrigens nicht nur muslimische Mädchen betrifft, christlich-koptische Mädchen werden genauso häufig beschnitten, kurzfristig auszurotten wäre.
Eine meiner ägyptischen Freundinnen erzählte mir, sie habe eine mehrtägige Abwesenheit ihrer Mutter, die sie nicht hat beschneiden lassen (sie war eine gebildete Frau und oberste Beamtin der Schulaufsichtsbehörde) genutzt, um die Beschneiderin kommen und sich beschneiden zu lassen. Es muss furchtbar gewesen sein, aber sie habe sich schmutzig und vor den anderen Mädchen, die beschnitten waren, zurückgesetzt gefühlt. Ihre Mutter war natürlich entsetzt und die Freundin wurde auch schwer bestraft, aber die Tradition und die Vorstellung von dem 'was sich für eine Frau gehört' war einfach zu groß.
Viele ältere Frauen, die selbst beschnitten sind, verteidigen diese Tradition als unabdingbar für eine 'anständige' Frau und blicken ziemlich hochmütig auf die unbeschnittenen 'westlichen' Frauen herab. Aber ich kenne in meinem ganzen, sehr grossen ägyptischen Freundeskreis unter den jungen Leuten NIEMAND der die Beschneidung gutheissen oder praktizieren würde. Nur - bis diese Dinge sich auch auf dem Land durchsetzen, wird noch viel Wasser den Nil hinunterlaufen, fürchte ich.