Erfahrungsbericht: Luxor September 2013

Hier könnt ihr Einsteigerfragen zu Ägyptologie, Tempeln, Götter usw. stellen, aber auch zur gegenwärtigen Kultur, dem Land und seinen Menschen Stellung beziehen

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Daniel Jackson
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Erfahrungsbericht: Luxor September 2013

Beitragvon Daniel Jackson » Sa 05 Okt, 2013 23:39

Wie angekündigt hier ein paar Fotos und Eindrücke aus Luxor Ende September 2013.

Der Gesamteindruck war, dass es zu aller erst in den touristischen Bereichen absolut leer und ausgestorben ist. In den Wohngebieten der Ägypter ist die Lage natürlich anders, denn die Menschen sind ja nicht verschwunden. Aber dort, wo man sich als Tourist normalerweise aufhält, war es erschreckend menschenleer. Hier die Corniche als Beispiel. Wer schonmal zu normalen Zeiten in Luxor war der weiß, dass es so unglaublich leer nur in Ausnahmefällen (z.B. nach dem Hatshepsutmassaker) war.

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In den Sehenswürdigkeiten sah es nicht anders aus. Überall waren ganz vereinzelt Besucher, wenn überhaupt. Das ist natürlich für den Besuch eine ziemlich tolle Sache, weil man weniger Disneyland und Trubel hat und mehr Ruhe und Platz, den Ort auf sich wirken zu lassen. Auch die Gafire waren relativ zurückhaltend bzw. sehr freundlich und erlaubten auch, den ein oder anderen Bereich anzuschauen, der sonst nicht zugänglich ist (z.B. in Karnak). An dieser Stelle vielleicht auch ein Hinweis zum Bakschisch, welches wieder auf einem vernünftigen Niveau angekommen ist. Wo sonst Geschrei ist, wenn man keine 50 Pfund geben will, war man mit 5 Pfund sehr zufrieden und glücklich. Entgegen der Vermutung war es nicht ganz furchtbar, wenn man nicht in der Touristenmasse untergehen kann und sich alle Gafire auf einen stürzen. Es war eigentlich sehr entspannt, die Gafire schienen eher gar nicht auf Besucher eingestellt.
Ein paar Beispielbilder von Memnon, Medinet Habu, Hatschepsut, Tal der Könige (Parkplatz und Besucherzentrum) und dann Karnak - damit ihr euch die Besuchermengen vorstellen könnt. Alles natürlich zu normalen Besuchszeiten aufgenommen und repräsentativ für den ganzen Tag.

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Da so wenige Besucher in Luxor sind, ist natürlich die Haupteinnahmequelle der Menschen quasi weggefallen. Ich konnte nicht feststellen, dass Hotels ganz geschlossen sind (habe natürlich auch keinen Rundgang gemacht). Aber die kleinen Hotels fahren mit der Minimalstbesetzung, d.h. viele Leute haben derzeit schlicht keine Einnahmen weil keine Arbeit. Felukken, Motorboote und Nilkreuzfahrtschiffe liegen größtenteils fest vertäut am Ufer. Ich sah ein Nilkreuzfahrtschiff fahren - ein einziges und ich konnte an Deck bei der Abfahrt keine Menschen sehen.

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Dramatisch ist die Lage natürlich für die Pferde der Kaleschenfahrer. Weil die keine Einnahmen haben, ist bei vielen Tieren deutlich zu erkennen, dass die abgemagert sind. Viele Tiere bekommen also zu wenig Futter, weil die Fahrer es sich schlicht nicht leisten können (das sagen sie zumindest). Ein besonders krasses Beispiel im folgenden Bild - allerdings war das schon ein ziemlicher Extremfall. Normal war es nicht so schlimm.

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Entgegen der Erwartung, dass sich die Bootskapitäne und Kaleshenfahrer und Taxifahrer jetzt auf die Besucher stürzen, war es im Vergleich zu normalerweise eher ruhig. Natürlich gab es das übliche Generve, aber viele Leute waren meiner Beobachtung nach gleich zu hause geblieben. D.h. die Zahl der nervenden Personen war deutlich geringer als sonst. Und der Ton war ein anderer, es war eher bettelnd und nicht so aggressiv wie früher. Natürlich gab es einige unschöne Situationen in dem Sinne, dass man nicht überall helfen kann. Einmal Kaleshe fahren um dem Tier Futter zu beschaffen kann man ja machen, aber nicht den ganzen Tag hin und her fahren. Ich musste manchmal aufpassen, nicht ein schlechtes Gefühl zu bekommen, wenn ich den Nächsten abwimmeln musste. Man will ja helfen, aber niemand kann allein die Lage für alle retten. Das musste ich mir immer wieder sagen. Denn das Leid ist schon groß.

Da wenig Leute derzeit zu tun haben, fährt auch die Fähre seltener als normal. Alle halbe Stunde ist schon eine gute Frequenz, die Überfahrt kann mitunter 45 Minuten dauern.

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In Restaurants war teils nicht mal eine Flasche Wasser vorhanden, es musste erst jemand losgeschickt werden, um eine zu kaufen. Die Preise waren völlig in Ordnung (was natürlich nicht heißt, dass niemand übers Ohr gehauen werden kann.) Das galt übrigens auch bei Taxis, die endlich mal wieder auf ein normales Preisniveau herunter sind. Beispiele:
Luxortempel - Passportoffice oder Karnak 5 LE
Fähre - Ticketoffice 5 LE
Fähre - Tal der Könige 10 LE

Ein paar Worte noch zur Sicherheitslage: Ich hatte ja schon in anderem Thema geschrieben, dass alles absolut ruhig war und ich mich zu keiner Zeit unsicher gefühlt habe. Ich denke, man kann derzeit ohne Bedenken nach Luxor fahren. Ausflüge in die Umgebung und insbesondere nach Abydos kann ich nicht recht beurteilen, aber zumindest in Luxor und auf der Westbank scheint es derzeit keine Probleme zu geben. An wichtigen Punkten sind die Sicherheitskräfte vertreten, so z.B. am Ende der Corniche am Iberotel mit einem Panzer. Auch vor dem Winter Palace steht einer und passt auf, dass es zu keinen Problemen kommt.

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Die Soldaten waren sehr höflich und freundlich, man braucht keine Bedenken zu haben. Allerdings sollte man natürlich den Anweisungen ggf. Folge leisten und fragen, ob man ein Foto machen darf.
An den Sehenswürdigkeiten war wie gewohnt Touristenpolizei, am Polizeicheckpoint auf der Westbank die übliche Besetzung - sie hat wieder begonnen zu arbeiten. Eine positive Entwicklung nach den letzten 2 Jahren.

Luxor gibt sich derzeit alle Mühe, Touristen wieder anzulocken. So gab es ein Event vor dem Karnaktempel, zu dem ich auch gegangen bin. Es ging natürlich darum zu sagen, dass Luxor sicher ist und die Touristen zurückkommen sollen.

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Bei der Veranstaltung gab es Folkloretänze und verschiedene Gruppen führten kleinere Acts auf. So gab es Breakdance, der Karateclub zeigte sein Können.

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Natürlich gab es auch verschiedene Reden, u.a. vom Gouverneur. Der sagte kurz zusammengefasst: Luxor ist die Wiege der Zivilisation, Luxor ist sicher, Luxor wartet auf Touristen, Touristen welcome back, Luxor tut alles, um den Aufenthalt für seine Besucher zum Erlebnis zu machen. Und Luxor sendet die Botschaft von Liebe und Frieden in die Welt. Dann wollte sich der Gouverneur gern noch mit den Karatekindern fotografieren lassen...

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Auch da war ein (angeblich) bekannter Sänger aus Kairo, der kurz sang und erklärte, Al Sisi sei cool - das brachte ihm den größten Applaus des Tages ein. Zum Abschluss konnte man dem Sänger (Mitte) und dem Gouverneur (links) Fragen stellen.

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Fazit: Wer möchte, kann meiner Meinung nach derzeit unbesorgt nach Luxor fahren und wird mit leeren Sehenswürdigkeiten belohnt.
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Beitragvon Anchese » So 06 Okt, 2013 09:15

hallo DJ,
vielen Dank für deinen sehr interessanten Bericht und die Bilder.
Jetzt können wir uns einen kleinen Einblick verschaffen wie es vor Ort ausschaut.
Das Bild mit dem Pferd hat mich erschüttert. Die armen Tiere.
Aber es soll doch ganz viel Geld an die Kaleschenfahrer für Futter gegeben worden sein. Wie du auch schreibst man kann nicht jedem helfen.

Aber dann können wir ja ruhigen Gewissens nach Luxor fahren.
Wo man jetzt, wie du auch schreibst, schöne Bilder machen kann ohne rumlaufende Touristen. Trotzdem möchte ich auch daß wieder mehr Leute das Land am Nil wieder besuchen.
Gruß
Anchese
Zuletzt geändert von Anchese am So 06 Okt, 2013 17:42, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitragvon Isis » So 06 Okt, 2013 10:54

salam

danke DJ für deine lage einschätzung.

zu der veranstaltung habe ich das hier auf youtube gefunden.

http://www.youtube.com/watch?v=U3As9PPym4U

http://www.youtube.com/watch?v=WdfZS6dMupY

ma salama

... isis ...

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Beitragvon mercy » So 06 Okt, 2013 11:18

An den Sehenswürdigkeiten war wie gewohnt Touristenpolizei, am Polizeicheckpoint auf der Westbank die übliche Besetzung - sie hat wieder begonnen zu arbeiten. Eine positive Entwicklung nach den letzten 2 Jahren.


Nachdem es in den letzten Jahren immer hieß, dass von den Sicherheitskräften nicht viel zu sehen bzw., zu erwarten war scheint das ja hoffentlich ein Zeichen positiver Entwicklung zu sein. Vor allem mit Blick auf den Otto-Normal-Touristen, der sich durch das Geschehen und die Berichterstattung der letzten Zeit hat abschrecken lassen.

Es war sicher schon immer mal ein Wunsch von (fast) jedem von uns solche Postkartenmotive ohne Touristen fotografieren zu können. Dennoch ist es eben auch sehr erschreckend anzusehen, wie wenig doch vor Ort los ist.
Das sind halt eben 2 Seiten einer Medaille.
Sollte es weiterhin ruhig bleiben sind jetzt natürlich wieder u.a. das Auswärtige Amt und die hiesige Tourismusbranche und die Medien am Zug.
Es konnte immer schön negativ berichtet werden, jetzt muss auch mal wieder das Positive hervorgehoben werden.
Aber bekanntlich verkaufen sich ja schlechte Nachrichten besser :evil:
Ma Salama
mercy

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Beitragvon NICO » So 06 Okt, 2013 13:58

Selam

Danke DJ für den Bericht! Ich könnte heulen wenn ich das alles so sehe. Wollen wir alle hoffen, dass die Lage sich bald wieder normalisiert und die Menschen in Luxor wieder ein normales Leben führen können.

Zur Negativ Berichterstattung hier ein Interview mit Volkher Kirchhoff: http://www.youtube.com/watch?v=AMvAYBLY ... r_embedded

uxortimesmagazine.blogspot.de/2013/10/in-depth-top-german-tour-operator-talks.html

Gruss Nico
نيكو

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Beitragvon Hanne » So 06 Okt, 2013 15:15

Danke DJ für deinen Bericht ,Freue mich schon auf meinen Urlaub in Luxor auch wenn es dieses mal nur eine Woche ist.
Lieben Gruß
Hanne

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Beitragvon Stele » So 06 Okt, 2013 17:30

Danke DJ für diesen Bericht, alles nicht sehr schön.
Bei der Situation für die Menschen mache ich lieber Bilder mit Menschen und schimpfe wenn mir jemand ins Bild rennt.
Ich denke mir würde es ähnlich wie dir gehen, man kann nicht allen helfen und hat ein schlechtes Gewissen wenn man bei dem nächsten ablehnen muss. Das würde mir auch bei den Taxifahrern so gehen, man braucht halt nur ein Taxi, und die anderen gucken. . . Das Pferd kann einem schon mächtig leid tun, aber es gab, und da muss man ehrlich sein, auch "früher" schon Kaleschenfahrer die nicht sehr nett zu ihrem Tier waren. Das wird bei der Not nun noch schlimmer werden.
Mögen solche Veranstaltungen helfen das der Tourismus wieder zum Leben erweckt wird, es wäre nicht nur für die Bevölkerung gut, auch ist es doch sehr traurig wenn sich niemand mehr solche Kulturschätze ansehen mag.
der Weg ist das Ziel...

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Beitragvon bint_hathor » Mo 07 Okt, 2013 10:27

ein dickes "Danke" an DJ für Bericht und Fotos! Wenn es nur nach mir ginge, würde ich sofort buchen... :cry:

LG, bint_hathor
Wenn du redest, dann muß deine Rede besser sein,
als dein Schweigen gewesen wäre
(Arabisches Sprichwort)

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Beitragvon Daniel Jackson » Mo 07 Okt, 2013 21:48

Hier noch ein Bericht von einem Freund von mir, der auch kürzlich in Luxor weilte. Mit seiner Erlaubnis stelle ich hier den Text ein.

"Liebe Leser,

um Neues ueber Unruhen in diesem Land zu erfahren, muss ich schon die auslaendischen Fernsehsender einschalten (arabisch verstehe ich ja nicht), sah aber gerade beim aegyptischen ON TV, dass es offensichtlich Tote bei den Demonstrationen in Kairo gegeben hat. Mein Hauswirt ist mit den Nerven runter, weil sich gerade die ersten Touristen angesagt hatten, die nun natuerlich nicht kommen werden. Dabei ist Luxor von den Tumulten im Norden viel weiter entfernt als Aachen von den 1. Mai-Krawallen in Kreuzberg, derentwegen kein einziger Besucher Berlin fernbleibt und Aachen schon gar nicht.

Was ich sagen will, hier ist es so friedlich, friedlicher geht es gar nicht. Heute vormittag machte ich (...) [eine Wanderung] oberhalb des Hatschepsut-Tempels und des Tals der Koenige. Es war ganz wunderschoen, besonders, da es jetzt gar nicht mehr heiss ist und ein frischer Wind fuer weitere Kuehle sorgte. Wegen des Feiertags war so gut wie kein Personal an den Sehenswuerdigkeiten und auch kein einziger Besucher. Schon letzte Woche war es leer, aber heute war es leergefegt. Das ist traurig, aber trotzdem einmalig und hat einen ganz besonderen Reiz, alles liegt wie verwunschen da.

Am Freitag waehrend der ersten Unruhen in Alexandria und Kairo (von denen ich natuerlich nichts wusste) war ich in Luxor einkaufen. Alles war friedlich, harmonisch und freundlich - ich fahre ja mit oeffentlichen Verkehsmitteln. So ist es geblieben. - Gestern waren die foreign residents in Luxor und auf der West Bank vom Gouverneur ins Karnak Sonesta eingeladen. Shuttle Busse brachten uns vom Luxor Tempel dorthin, wo wir vom Gastgeber, zwei Generaelen, hohen Polizeioffizieren und weiteren hochrangigen Honoratioren freundlich begruesst wurden. Es gab Kaffee und Kuchen sowie die Ankuendigung bzw. Konstituierung eines Kommitees aus je 1/3 Offiziellen, im Tourismus Taetigen und Foreign Residents, das sich um die Verbesserung der Lebensbedingungen sowie die Foerderung von Tourismus und Wirtschaft kuemmern bzw. entsprechende Anregungen formulieren soll, die dann von der Obrigkeit umgesetzt werden soll. Die Veranstaltung war weniger chaotisch als sonst bei derartigen Treffen, und der Gouverneur machte einen recht engagierten Eindruck.(...)

Ihr seht, ich fuehre hier ein ganz normales, besonntes und beschauliches Leben. Zur Sorge gibt es keinerlei Anlass. Drueben ueberstrahlen nachts die beleuchteten Tuerme der neuen koptischen Hauptkirche ganz Luxor samt aller Moscheen - das ist bezeichnend fuer die Lage hier."
Autor des Reiseführers "ÄGYPTEN - DAS NILTAL von Kairo bis Abu Simbel"

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