Bei meinen Orientreisen habe ich einen etwas anderen Blickwinkel auf die allgegenwärtige und von vielen so unangenehm empfundene "Bakshish-" Frage bekommen:
Wer sich aufmerksam in den Gefilden umsieht, in die sich meist kein Touri verirrt, versteht. Ägypter (und auch Tunesier; das habe ich persönlich erlebt!) untereinander zahlen ebenfalls Bakshish für auch kleine Handreichungen und Gefälligkeiten. Dieses "Trinkgeld" ist eher Lohn für Arbeit ohne Vertrag; wer keine Investitionen tätigen und sonst keine Arbeit finden kann, der bietet sich selbst an um das Familieneinkommen auch mit kleinsten Geldern stabilisieren oder gar aufbessern zu können.
Wer kennt das "Victoria" in Kairo? Wem ist darin der (hoffentlich lebt er noch!) steinalte Mann aufgefallen, der kurz hinter dem Eingang an einem eigenen kleinen Schreibtisch sitzt und augenscheinlich gar nichts tut, es sei denn, er wird für Botengänge oder Hilfestellungen beauftragt?
Ich habe mich über ihn unterhalten, weil er mich in seiner schier grenzenlosen Würde und Haltung faszinierte und im Rahmen seiner Möglichkeiten das immer Äußerste tat, um seinen "Auftraggeber" zufriedenzustellen. Er saß da von früh morgens bis spät abends und wartete auf Gäste, deren Koffer er tragen konnte und andere kleine Aufträge. Mit dem kleinen Geld ging er abends nach Hause und steuert es der Haushaltskasse bei; zwei Fliegen schlug er damit gleichzeitig: er wahrte seine Würde als Arbeitender, er war beschäftigt und damit kein nutzloser Esser.
So wird jeder Orientreisende vermittels des Bakshish-Brauches gern und oft in Windeseile zum "Arbeitgeber" und in den meisten aller Fälle tut er damit ein gutes Werk. Er integriert sich in ein ganz ausgezeichnet funktionierendes System, beutet keine Freundlichkeit (die gibt's ja immer gratis dabei!) aus und zeigt sich, wenn er souverän damit umgeht, als erfahrener Reisender.
ICH halte es immer SO: Wenn ich ein Taxi anheuere (beispielsweise!), dann feilsche ich hart bis ultrahart einen fairen Preis heraus. Wenns dann ans Zahlen geht, lege ich ein angemessenes Trinkgeld drauf und, zum übergroßen Entzücken aller damit Beglückten, ziehe einen der zahlreich vorher angekauften Kulis heraus und lege auch den noch drauf! Das tut Gutes, verletzt keine Gebräuche und macht allen Beteiligten Spaß. Man muß wissen, daß Kulis (z.B. in Ägypten) chronisch Mangelware sind und für den "Otto-Normalbürger" dort mit schier unerschwinglichen Preisen gehandelt werden. Viele Schulen aber schreiben den Kindern den Gebrauch von Kulis vor! So ist für die meisten ägyptischen Familien das Thema "Kuli" immer sehr unangenehm befrachtet; Feuerzeuge, oftmals ebenso ein (angeblicher) Geheimtip, sind gefährlich zu transportieren und werden, wenn man sie nicht an einen Raucher abgibt, sofort weiterverkauft. Ich persönlich bin mehr für die "Kuli-" Lösung!
Zumal ich damit eine am Ende heitere, im Verlauf aber durchaus bedenkliche Situation meistern konnte ..... aber das, das ist eine laaange Geschichte!

Gruß
Michael