Safaga während der Revolution

Hier Fragen und Infos die das Reisen nach bzw. in Ägypten betreffen (keine Nennung von Veranstaltern / Anbietern)

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Kashahara
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Safaga während der Revolution

Beitragvon Kashahara » So 20 Feb, 2011 21:15

Liebes Ägyptenreiseforum,
ich denke alle hier hatten in den letzten Wochen gebannt die Ereignisse in unserem Lieblingsland verfolgt. Da ich vom 03-12 Februar meinen Urlaub in Safaga verbracht habe, möchte ich gerne ein paar Eindrücke meiner Reise schildern.

Das schlimmste für uns persönlich war die Woche vor dem Urlaub, die schlimmen Bilder aus Kairo, und die Frage, fliegen wir oder fliegen wir nicht? Es wurde immer enger für unseren Urlaub, die Sicherheitswarnungen des Auswärtigen Amtes immer weiter verschärft, dann, am Dienstag die Streichung aller Pauschalreisen. Diese traf uns zwar nicht, aber trotzdem war ja nicht sicher, ob die Condor die paar Individualreisenden überhaupt fliegt. Um unsere Sicherheit vor Ort hatten wir dank täglicher telefonischer Rücksprache wenig Bedenken, und so beschlossen wir dann auch, zu fliegen, wenn uns die Condor denn lässt. Natürlich ist es angesichts der vielen Verletzten und Toten in den ägyptischen Städten völlig unerheblich, aber trotzdem war unsere Urlaubsvorfreude total im Eimer.

Am Donnerstag früh stiegen wir also dann in den Flieger, in dem man natürlich Purzelbäume schlagen konnte (16 Passagiere). Durch die Ankunftshalle des Hurghada-Airports werden wir auch wohl nie mehr so schnell kommen. Dann sind wir von unseren lieben Freunden in Empfang genommen worden und bereits auf unserer Fahrt nach Safaga fiel alle Anspannung von uns ab. Ruhig war es auf den Straßen, auffällig waren in Hurghada selbst allein, dass doch recht viele Autos ein Mubarak-Bild zierte. Dazu passt auch die Info unserer Freunde, dass sie schätzen dass ca. die Hälfte der Menschen dort pro-Mubarak eingestellt sind, die Hälfte contra.

In Safaga selbst wohnten ausnahmsweise mal nicht bei unseren Freunden, sondern im kleinen Tauchhotel Nemo, dies befindet sich auch im Ort, nicht in der „Hotelmeile Kilo Tamanya“, daher bekamen wir eigentlich schon alles mit, was sich vor Ort abgespielt hat. Die nächsten Tage verbrachten wir tagsüber auf dem wunderschönen Privattauchboot Bruce (Gedacht für 4 Taucher + Guide, wer einmal auf einem übervollen Tauchboot mit nervenden Mittauchern war, weiß diesen Luxus sehr zu schätzen) oder im Wasser an wundervollen Tauchspots mit tollen Fischbegegnungen. Abends waren wir viel Lamun trinken und Shisha rauchen, manchmal auch essen im Ort und danach meist noch für einen Absacker und zum Nachrichten verfolgen im Divers. Die ersten Tage fuhren abends immer stundenlang hupende, jubelnde Autokorsos, von der Stimmung her allerdings eher positiv, so wie z.B. nach einem gewonnenen Fußballspiel oder wie bei den typisch ägyptischen Hochzeitsautokorsos (nur mit vielen Fähnchen). Ansonsten waren noch die Panzerwagen vor dem City Gouverment auffällig (und beruhigend), dieses war auch nach einem Brandanschlag teilweise ausgebrannt.
Es wurde in Safaga jeden Tag „normaler“, die Menschen saßen viel in den Cafés und schauten dem Staatsfernsehen oder später auch wieder Al Jazeera zu, diskutierten ein wenig, aber immer ruhig, viele besorgt um ihre Zukunft. Uns als den wenigen Touristen, die noch da waren, wurde stets freundlich und positiv entgegengetreten.

Von der vielfach befürchteten Knappheit aufgrund des Generalstreiks war nichts zu bemerken. Auch wenn unser Auswärtiges Amt ja vor allem deswegen die Pauschalreisen hat streichen lassen, dass nicht die AI-Besucher vor leeren Hotelbuffets sitzen, wir hatten immer reichlich. Wir haben sehr geschlemmt, drei-vier Gänge am Abend, tagsüber lecker gekocht auf dem Schiff, viel Fisch, frisches Gemüse, Obst, Shrimps, und wie immer das weltbeste Chicken bei einem Grill, an den sich nur selten eine europäische Nase verirrt. Auch die einheimischen Läden waren gut gefüllt, Brot, Gemüse, Lebensmittel waren da und die Preise waren auch wie letztes Mal im Sommer. Einzig importierte Zigaretten waren nirgendwo zu bekommen, da musste Schatzi halt das einheimische Kraut rauchen, aber die Cleopatras sind ja nicht schlecht. Auch waren wohl Telefonkarten nicht zu bekommen. Die Banken hatten meistens geschlossen oder nur sehr umständlich geöffnet, da es wohl Angst vor Massenabhebungen gab. Wir hatten alles benötigte Geld bar dabei und hatten am Flughafen genug gewechselt.

Der Freitag war unser Tag vor der Heimreise. Da wir an diesem Tag nicht mehr getaucht sind, bin ich mit meiner mitreisenden Freundin nach Hurghada zum Bluemoon-Tierheim gefahren. Sie hatte dort noch ein paar Spenden abzugeben. Unser pünktlicher und zuverlässiger Fahrer hat den Weg in die Wüste gut gefunden. Wir bekamen eine sehr eindrucksvolle Führung durch die Gehege, dazu Tee und leckerlecker Beduinenbrot. Ich bin wirklich schwer beeindruckt, was die Schweizerin Moni und ihre Helfer dort geschaffen haben, alle Tiere hatten ansprechende saubere Gehege, waren wohlgenährt und es gab viele Plüschpopos zum Kraulen. Es ist ein gutes Gefühl, zu sehen wie sich jemand um viele tragische Tierschicksale kümmert, aber auch die Schicksale der Menschen immer im Auge hat. Moni hat mehreren Beduinenfamilien Unterschlupf gewährt und so wuseln zwischen Kamelen, Eseln, Katzen und Hunde auch noch viele Beduinenkinder herum, die versorgt werden.

Abends zurück im Dorf durften wir in einem Café Zeitzeuge des historischen Augenblicks des Rücktritts werden. Danach sind wir noch zum Essen gegangen, viele Menschen waren auf einmal auf den Straßen, manche feierten und lachten, es war sehr eindrucksvoll und wir waren sehr ergriffen. Natürlich bleibt abzuwarten, wie sich die politische Lage weiter entwickelt. Wir hoffen, dass in Zukunft mehr Ägypter eine Chance und eine Perspektive erhalten. Auch hoffen wir, dass der Tourismus zurückkommt, da wir doch einige ägyptische und europäische Freunde dort haben, deren Existenz vom Tourismus abhängt. Allerdings wird dieses Jahr wohl sehr sehr hart.

Alles in allem war es für uns die richtige Entscheidung zu fliegen. Wir haben viel erlebt, haben in unserem 15. Ägyptenurlaub das Land und die Bevölkerung noch mehr ans Herz geschlossen und Inschallah werden wir auch im Sommer wieder da sein.

Liebe Grüße

Tina

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Isis
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Beitragvon Isis » Mo 21 Feb, 2011 09:26

salam

danke das du uns an deinen eindrücken vor ort teilhaben liest.

ma salama

... isis ....

Daniel Jackson
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Beitragvon Daniel Jackson » Mo 21 Feb, 2011 09:46

Vielen Dank für deinen schönen und eindrucksvollen Bericht. :)
Autor des Reiseführers "ÄGYPTEN - DAS NILTAL von Kairo bis Abu Simbel"
Geschichten aus und über Ägypten: Toms-Notes.com

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Nane88
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Beitragvon Nane88 » Mo 21 Feb, 2011 10:36

Danke für den Bericht und natürlich, dass sich viele Leute deinem Beispiel anschließen und Ägypten bereisen.

LG Nane :)