Heikle Frage

Für denn Fall daß Euch was auf dem Herzen liegt was oben nicht rein passt ...

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bint_hathor
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Heikle Frage

Beitragvon bint_hathor » Mi 05 Jan, 2005 16:24

Hallo,
eine Sache hat mir schon mehrere Male Magendrücken bereitet; zuerst hab ich’s im Hotel in Ägypten erlebt, als ich mich mit einem Hotelangestellten unterhielt und ihm erzählte, dass ich Deutsche sei. Darauf versicherte er mir, wie toll er Deutschland finden würde, fuhr sich mit der Hand an die Stirn und und erwähnte voller Stolz den Namen Hitler. Ich war so perplex, dass ich mich kopfschüttelnd und ohne ein Wort davon machte.
Später habe ich in mehreren Reiseführern die gleiche Geschichte gelesen, dass Ägypter immer wieder die deutschen Gäste beeindrucken wollen, indem sie auf Hitler zu sprechen kommen – und dann wohl erwarten, dass wir geschmeichelt wären. Ich dachte, ich fass’ es nicht.
Jetzt bin ich wieder in einem ägyptischen Musikforum über diesen Namen gestolpert, ein Forumsmitglied hat ein Zitat von Hitler auf seiner Homepage stehen (unter vielen anderen). Am liebsten hätte ich sofort in dem Forum gefragt, was Ägypter von Hitler eigentlich für eine Vorstellung haben, aber irgendwie habe ich Angst davor, dass es ausarten könnte – keine Ahnung, jedenfalls traue ich mich nicht recht. Aber ich würde verdammt gerne wissen, was die wirklich in der Schule lernen und ob ihnen nicht bekannt ist, dass man hier mit Hitler-Zitaten und –grüßen normalerweise keinen Eindruck schindet.
Hat irgendjemand eine Erklärung?? Natürlich ist mir als erstes die Judenverfolgung eingefallen, aber ich finde den Gedanken unerträglich, dass sowas der Grund sein könnte – Israelis machen in Ägypten ja auch Urlaub; ich kann mir das nicht vorstellen. Oder gibt es doch ein paar, denen das nicht passt? Oder haben sie einfach keine Ahnung?? Es stößt mir jedenfalls ziemlich sauer auf, und ich weiß echt nicht, wie ich bei der nächsten Gelegenheit reagieren würde, wenn mir mal wieder ein Ägypter mit dem Hitler-Gruß kommt… ich will ja keinem zu nahe treten und auch keine heftige Diskussion entfachen, aber einfach so hinnehmen will ich es halt auch nicht. Und da es doch wohl öfters vorkommt, dass man damit konfrontiert wird, ist es doch wohl besser, das nächste Mal darauf vorbereitet zu sein - oder?!
Was sind Eure Gedanken dazu?
Nachdenkliche Grüße,
bint_hathor

krümel
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Au weia

Beitragvon krümel » Mi 05 Jan, 2005 16:35

Bitte halte dich fest wenn du das liest.Bis jetzt hab ich es noch keinen gesagt,was mir mal in Ägypten passiert ist.Aber wenn ich das von Dir lese ist es doch kein Einzelfall .Ich weiß das von einen guten Freund von mir(ägypter),der hat mir erzählt was manche Ägypter über Hitler denken.Es gibt tätsächlich Leute die Hitler bewundern,weil er Juden töten ließ.-Mir blieb vot lauter Schreck die Spucke weg-ich w ar einfach nur Sprachlos.

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Karnak
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Beitragvon Karnak » Mi 05 Jan, 2005 20:52

So schockierend dies Thema auch ist, so einfach ist auch die Antwort. Moslems wähnen in uns Deutschen Verbündete im Kampf gegen die Juden. Das wir "scheinbar" gemeinsame Feinde haben, macht uns in ihren Augen zu Freunden. Das ist zumindest bei den weniger gebildeten Menschen dort weit verbreitet. Auch uns ist es passiert, dass ein kleiner Junge bettelnd hinter uns herlief und uns mit den Worten "Hitler gut" beeindrucken wollte.
Ebenfalls schockierend finde ich auch die Haltung der Franzosen, wenn man sich mal in Frankreich aufhält. Dort wird man teilweise wie ein oller Nazi behandelt. Leute weisen einem wissentlich den falschen Weg und keiner spricht auch nur ein Wort Englisch. Und das alles nur, weil sie wissen, dass man aus Deutschland kommt... Und das, wo der Bildungsstand dort doch eigentlich ein anderer als bei den Ägyptern ist.

Gruss, Karnak

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bint_hathor
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Beitragvon bint_hathor » Mi 05 Jan, 2005 22:05

Hallo,
ja, die Haltung mancher Franzosen kenne ich, und einige Luxemburger sind genauso (ich will nicht alle über einen Kamm scheren, sowas tun andere leider schon genug) - es ist schon heftig.
Und wenn der Grund bei den Ägyptern wirklich der ist, den wir alle vermuten, glaubt Ihr, dass es Sinn hat, mit ihnen darüber zu diskutieren...? Ich befürchte, man wird ihre Vorstellung nicht ändern können. Man kann nur schlucken und das Thema wechseln. Ich will es einfach nicht glauben. Oder hat sich von Euch schon mal jemand auf so eine Diskussion eingelassen??
Ich finde es schon betrüblich, wie lange sich manche Dinge in den Köpfen halten, wie wenig man Vergangenheit wirklich bewältigen kann, wie lange man mit den Sünden von früher noch konfrontiert wird und wie die Verbrechen von Einzelnen einem ganzen Volk zur Last gelegt werden. Wäre echt schön, wenn man das endlich mal hinter sich hätte...
Aber das sollte jetzt nicht das Schlusswort sein - ich würde gerne noch weitere Meinungen und Erfahrungen lesen.
Viele Grüße,
bint_hathor

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meret
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Heikle Frage

Beitragvon meret » Sa 19 Feb, 2005 12:26

Hallo Tochter der Hathor,

Ägypter sind im allgemeinen sehr höfliche und freundliche Menschen. Wenn sie das Gespräch auf Hitler bringen, dann deshalb, weil sie denken, dass uns das freut und ich fürchte, dass sie das nur allzu oft bestätigt bekommen haben. Nicht nur Deutsche, die ihrer Gefallenen gedenken wollen, sondern auch Unverbesserliche und alte Kämpfer besuchen z.B. die Gedenkstätten in El-Alamein - nach dem Krieg sind viele ranghohe Nazis nach Ägypten geflohen und haben dort ungestört gelebt. Aus diesem Grund sollten wir nicht beschämt weghören, sondern ganz klar und deutlich sagen, was Sache ist. Sonst glauben sie, man schweige, weil man sich nicht traut, sich laut als Nazi zu bekennen. In jedem Fall hinterlässt Du den Eindruck, nicht gegenteiliger Meinung zu sein. Und das ist fatal. Für uns, aber auch für den Ägypter, dessen Weltbild immer wieder bestätigt wird.

Wenn wir ihnen sagen, dass Hitler ein Verbrecher war und dass uns die Erwähnung Hitlers nicht freut, dann werden die meisten Ägypter das ohne weitere Diskussion zur Kenntnis nehmen und sich merken. Oder denkst Du, sie wollen die Touristen vergraulen? Und sollte es zu Diskussionen kommen, dann wissen wir doch hoffentlich, was wir sagen sollen!

Ich wäre aber sehr gespannt darauf, was Andere für Erfahrungen mit solchen Diskussionen gemacht haben.

Gruss,
meret

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bint_hathor
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Beitragvon bint_hathor » Sa 19 Feb, 2005 13:25

Hallo, meret,
danke für Deine Worte - irgendwie hatte ich mir auf das Thema mehr Resonanz versprochen. Entweder ist es für viele wirklich zu heikel oder sie haben damit tatsächlich noch keine Erfahrungen gemacht. Seltsam.
Du hast Recht - man sollte schon eindeutig Stellung beziehen. Ich war letztes Jahr einfach zu verblüfft und mir fehlten schlicht die Worte, hinterher habe ich mich geärgert, dass ich dem Ägypter meine Meinung nicht klargemacht habe.
Gestern bin ich auf ein anderes Ägyptenforum gestoßen (youregypt.com), da verwendet jemand als Avatar eine Hitler-Karikatur... es passiert also immer wieder! In vielen Fällen ist es sicher nur Ignoranz und Dummheit, aber ich denke, ich werde denjenigen mal vorsichtig aufklären. Bis jetzt habe ich mich da noch nicht angemeldet, diese Begegnung hat mich erst mal wieder abgeschreckt.
Viele Grüße,
bint_hathor

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meret
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Beitragvon meret » Sa 19 Feb, 2005 19:08

Hallo Karnak,

>>So schockierend dies Thema auch ist, so einfach ist auch die Antwort. Moslems wähnen in uns Deutschen Verbündete im Kampf gegen die Juden. Das wir "scheinbar" gemeinsame Feinde haben, macht uns in ihren Augen zu Freunden. Das ist zumindest bei den weniger gebildeten Menschen dort weit verbreitet. Auch uns ist es passiert, dass ein kleiner Junge bettelnd hinter uns herlief und uns mit den Worten "Hitler gut" beeindrucken wollte. <<


das stimmt so nicht, denn viele, wenn nicht sogar die meisten Ägypter wissen recht wenig darüber, was eigentlich in der Hitler-Zeit geschah - von der Judenvernichtung haben sie keine wirkliche Vorstellung. Der eigentliche Grund für diese immer wieder anzutreffende Hitler-Begeisterung hat nichts mit der Judenvernichtung zu tun, sondern liegt daran, dass damals die Briten eine Militärbasis am Suezkanal hielten und man sich von der in Nordafrika gegen die Briten kämpfenden deutschen Armee unter Rommel die Befreiung versprach. Die anfänglichen Erfolge des deutschen Afrikakorps unter Rommel gaben dieser Hoffnung Nahrung und als schliesslich das deutsche Afrikakorps vor den Toren Alexandrias bei El-Alamein vernichtet wurde, war auch diese Hoffnungen der Ägypter zu Ende. Erst Nasser gelang es 1954 mit der Verstaatlichung des Suez-Kanals das britische Militär loszuwerden.

Nach der verlorenen Schlacht von El-Alamein gerieten viele deutsche Soldaten in britische Kriegsgefangenschaft und wurden in britische Militärlager in der Wüste um Alexandria gebracht. Damals versorgte übrigens die ägyptische Bevölkerung die deutschen Gefangenen in den Lagern und viele der ehemalige Soldaten berichteten nach ihrer Freilassung dankbar davon. Und auch in der ägyptischen Bevölkerung ist das unvergessen.

Aber gerade weil die Ägypter so realitätsferne Vorstellungen vom 3. Reich haben, ist es so wichtig, dass wir mit ihnen darüber sprechen und sie mal 'aufklären'. Ich mache das ständig und es passiert immer wieder, dass dann, wenn ich ganz drastisch das Schicksal der Juden schildere, sie sehr betroffen sind und manchmal haben sie sogar Tränen in den Augen.

Ich will nicht dramatisieren - aber deutsche Touristen im Ausland sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie Botschafter Deutschlands sind und gerade weil sie oft näheren Kontakt zur Bevölkerung haben als jeder 'richtige' Botschafter, sollten sie diese Verantwortung auch besonders ernst nehmen.

Viele Grüsse,
meret