Hier also die versprochene Story, die wegen des Stromausfalls erst jetzt nachgeschoben kommt und noch etwas ausgebaut wurde. Daher rühren auch die tollen Zeitangaben.
Ein Abschlussfazit kommt dann später noch, ich möchte ja keine Sehnenscheidenentzündung kriegen…
Wechselbad der Gefühle
In Luxor prasseln die Eindrücke nur so auf den aufmerksamen Besucher herein. Viele sind gut, manche eher das Gegenteil, aber einprägsam sind sie alle. Wie ein paar Tage in diesem Wechselbad der Gefühle aussehen können?
So...
Es ist gestern.
Ich bin im Karnaktempel und treffe Person X. Ein Stein kommt ins Rollen...
Ich kann erst die Stelle angucken, wo die im Herbst entdeckte Doppelstatue noch immer im Boden liegt, da deren Bergung die Stabilität des Hatschepsutobelisken gefährden könnte. Kein Wunder, er steht fast drauf.
Es kommt noch besser, die Tore des Tempelbezirks der Mut öffnen sich und gewähren spannende Einblicke in das sonst geschlossene Areal. Es gibt eine Menge zu sehen, noch mehr Sechmetstatuen und noch viel mehr feinen, staubtrockenen Staub. Toll, super spannend, einfach der Wahnsinn!
Es ist immer noch gestern.
Ich bin auf dem Rückweg vom Mumifizierungsmuseum zum Malqata. Während wir die Treppe runter gehen, unterhalte ich mich mit Hansi aus dem Grünen Forum.
"Motoboot?" Hab ich das richtig gehört? "Excuse me! Motoboot?"
Da unterhalten sich zwei Menschen und jemand platzt einfach in das Gespräch rein - wegen "Motorboot?"!
Hm, naja, vielleicht hat er nicht gehört, dass wir uns unterhalten. Also freundlich darauf hinweisen und weitergehen.
"Excuse me! Motorboot?"
Das darf doch nicht wahr sein! Andere Tonlagen, zwei andere Personen, aber im Chor die gleiche Frage - und wirunterhalten uns noch.
Was nun? Wieder freundlich erklären? Und gleich zwei Leuten?
Ne, irgendwann muss Schluss sein. Also gut, umgedreht und angeschnauzt: "Do you see that two adult people are talking here?"
Große Augen.
"You can't just come and shout "excuse me" to interrupt us."
Empf, das hat gesessen. Lieber nochmal nachlegen, dann wirkt es länger.
"This permanent "motorboot" is annoying me! I never go by motorboot!"
Ups, da ist jetzt wohl jemand angepisst. Was für ein Pech, aber lieber einmal rechtzeitig künstlich aufgeregt, als irgendwann später dann richtig.
Dumm nur, dass Hansi den Motorbootfahrer kannte und der uns auf dem Hinweg auch noch rübergefahren hatte (Ja, ich hab mich überreden lassen...).
Dumm gelaufen...
Es ist endlich heute!
Ich bin am Ticketschalter von Deir el Bahari und will ein Ticket für Hatschepsut kaufen. Der Mann reißt eins von Hatschepsut und eins für den Taf-Taf-Zug ab und sagt "11 pound".
Hm, ich will ja gar nicht mit dem Bähnchen fahren, sage ihm also, dass ich das Ticket nicht brauche. Das regt ihn tierisch auf, er schnauzt mich an: "You see this and this and this?" Dabei zeigt er auf die Preistafeln über und neben dem Fenster und am Dach der Hütte. Da steht ernsthaft "Hatschepsut 21/11LE" drauf.
Ich muss also noch ernsthafter 11LE bezahlen und kriege ein Ticket für Hatschepsut und eins für die Taf-Taf-Bahn. Man müsse beide kaufen erklärt der Mann aufgebracht und betont, das sei nicht seine Entscheidung. Offensichtlich bin ich nicht der erste, der das Taf-Taf-Ticket nicht will. Das zerreiße ich sogleich demonstrativ vor dem Ticketschalter und schmeiße die Schnipsel in die Luft.
Ich bin angepisst, denn ich mag die Taf-Taf-Bähnchen nicht, weil sie mich etwas stark an Disneyland erinnern. Wir sind aber in einem Totentempel und nicht in einem Freizeitpark, auch wenn sich die meisten Leute so benehmen. Wo dieses Missverständnis wohl herkommt?
Es ist zuzumuten, dass man 200 Meter bis zum Tempel läuft. Wer dazu zu faul, zu bequem oder aus körperlichen Gründen nicht in der Lage ist, kann meinetwegen das Bähnchen benutzen, man muss es ja nicht gleich schließen. Für die Nutzung darf dann ja ruhig auch bezahlt werden, aber ich mag es nicht, wenn ich gezwungen werde, diese Disneylandsch*** zu finanzieren. Nichts gegen Disneyland, aber in Deir el Bahari ist es einfach nicht angebracht. Meine Meinung.
Ich bin nicht sauer, ich koche vor Wut und laufe demonstrativ mitten auf der Strasse vor dem Bähnchen her. Das machen auch ungefähr 50% der anderen Besucher, obwohl sie ein bezahltes Ticket haben. Ich stehe also nicht allein da, wenn ich lieber das Stückchen laufe...
Es ist immer noch heute.
Ich bin in der Anubiskapelle des Hatschepsuttempels. Prächtige Farben, interessante Darstellungen und keine anderen Touristen. So macht es Spaß!
Dann fällt eine Busladung ein. Es lärmt, der Reiseführer labert und man macht Fotos. Alles kein Problem, aber der Reiseführer redet weiter. Die ersten Leute sinken erschöpft gegen die Wände und Pfeiler. So auf den Geschmack gekommen beschließen sie mal zu fühlen, wie sich so eine so alte farbige Darstellung wohl anfühlt.
Das finde ich nicht gut und lasse mich zu einem "Bitte nicht anfassen!" hinreißen - die Reisegruppe ist aus Deutschland.
Man ist überrascht, aber nach der Erklärung peinlich berührt. Man hätte ja auch selbst drauf kommen können, dass die Farben durch ständiges Berühren kaputt gehen.
Man ist informiert und ich bin zufrieden.
Es ist heute, der Tag ist noch nicht vorbei.
Ich sitze an den Memnonkolossen und warte auf den Sonnenuntergang um Fotos zu machen. Der kommt auch langsam, vorher kommt aber ein Polizist und meint "5-o-clock closed".
Memnon ist zwar ein offenes Areal, aber gut. Ich ziehe mich auf den Parkplatz oben an der Strasse zurück. Die geht nicht, hier ist alles "5-o-clock-closed".
Ich versuche dem Polizisten also klarzumachen, dass ich auf der Strasse bin und die immer offen hat - die zahlreichen fahrenden Autos sehen das genauso. Er aber nicht und besteht daher auf meiner Abreise: "5-o-clock-closed"!
Ich bleibe sitzen. Der Polizist sagt wieder "5-o-clock-closed" und besteht darauf, ich müsse gehen. Ich bleibe sitzen. "5-o-clock-closed", es geht weiter und ich bleibe weiterhin.
Nach einer halben Stunde kommt ein anderer Polizist, der einen Streifen auf der Schulter hat. Ich Problem habe es jetzt also mit der nächsten Stufe der Hierarchie zu tun. Auch für die ist "5-o-clock-closed". Ich versuche wieder klarzumachen, dass ich auf der Strasse bin und die immer offen hat. Naja, man ist nicht begeistert aber tamam.
Je dunkler es wird, desto öfter schaut der Polizist auf die Uhr und fragt, wie lange ich noch bleiben will. Irgendwann ist dann wieder "5-o-clock-closed", ich könne aber gegen 20€ Bakschisch bleiben. Ansonsten könne ich mich ja ins Ali Baba Restaurant setzen, das wäre kein Problem. Ich kann nur lachen...
Es wird immer dunkler, bei Medinat Habu, Hatschepsut und dem Ramesseum ist das Licht an, von Deir el Medina sieht man einen hellen Schein in den Himmel leuchten. Memnon bleibt dunkel, angeblich ist das Licht kaputt. "5-o-clock-closed", ich könne ja gehen.
Ich bleibe trotzdem und warte auf die absolute Dunkelheit.
Siehe da, plötzlich kommt ein Wächter, macht das Licht an und will ein Bakschisch für die Dienstleistung. Ich kann nur lachen...
... und ihm sagen, dass es sein Job gewesen wäre, die Dinger vor einer halben Stunde anzumachen. Solange brennt es nämlich überall anders schon - zum Schutz vor Reliefklau natürlich!
Ich bin vom langen Kampf erschöpft...
Es ist heute + 1 Tag!
Ich will ein Ticket für den Bus nach Hurghada kaufen und gehe zum Bustickethäuschen am Luxortempel.
Es gibt zwei Busse zur Auswahl, Sonntag abend oder Montag morgen. Ich bin unentschieden, möchte dann aber ein Ticket für Sonntag abend kaufen. Das geht nicht. Ticketverkauf nur am gleichen Tag.
Hmpf, in Alexandria ging es zwei Tage vorher, hier nur am gleichen Tag? Naja, also morgen früh nochmal kommen - grummel!
Es ist weiterhin heute + 1 Tag!
Ich bin beim Supreme Council of Antiquities am Luxormuseum, um wegen Deir el Bahari bezüglich des Taf-Taf-Tickets zu meckern.
Im Büro sitzt ein kleines Tier, hört zu und versteht schnell, dass es mir nicht um das kleine eine LE, sondern das große Prinzip geht.
Dann telefoniert er um festzustellen, dass die Lage in Deir el Bahari wirklich meinen Angaben entspricht. Das tut sie. Da das nun geklärt ist, stellt sich also die Frage, wer dafür verantwortlich ist. Das sei eine Anweisung von Zahi Hawass aus Kairo, da wäre hier nichts zu machen.
Ob der Mann mit dem Hut aber alles selbst regeln möchte? Ich glaube nein und frage, ob Mr Mansour da nichts machen kann. Mit dem will ich sprechen, schließlich ist er der Altertümerhüter für Luxor.
Der wäre gerade in Deir el Bahari. Ich frage also schnell, wie lange er denn da sei. Es stellt sich raus, dass er vielleicht da ist, vielleicht aber auch woanders, jedenfalls irgendwie wahrscheinlich außer Haus. Na toll…
Ich möchte das gern checken und schlage vor, einfach mal zum Büro zu gehen. Glücklicherweise weiß die Polizei auf dem Weg dorthin aber, dass Mr Mansour eben mit dem Auto weg ist. Ich könne aber morgen +2 um 10 Uhr wiederkommen, dann wäre er sicher da.
Sch***, nix erreicht. Ich muss also morgen +2 nochmal auf der Matte stehen. Das will ich auch tun!
Es ist heute +1, daran ändert sich so schnell nichts.
Ich bin im Karnaktempel und fast ganz allein im großen Säulensaal. Toll!
Es gibt aber auch wieder genug Touristen die förmlich darauf warten, in meiner „Touristen in Ägypten“-Fotokollektion verwegit zu werden. Lustig!
Im Chonsutempel gibt es einen Raum mit viel Farbe aber wenig Licht.
Der Wächter kommt mit rein, ich fürchte schon Schlimmes. Dann geht es auch los: „Horus, Amun-Min-Sechmet, Anubis“. Dabei streicht er immer wieder sehr führsorglich und liebevoll von oben bis unten mit der Hand über die farbigen Reliefs. Ich finde das nicht wirklich prickelnd und meine „don’t touch!“.
Hm, mashi! Dann lassen wir das eben und sagen „secret, look here: Hatschepsut!“. Dabei lehnt er sich entspannt mit dem Arm gegen das angesprochene Relief, welches Ramses IV darstellt, wie aus den zugehörigen Kartuschen eindeutig hervorgeht. Das sage ich ihm, das Relief bleibt aber Hatschepsut – wohl weil sich das normalerweise besser verkauft.
Ich mache Fotos. Manuelle Einstellung, ISO 400, 1s Belichtungszeit und Blende 2,8. Die Fotos sind fast taghell und ziemlich scharf. Toll, ich bin begeistert!
Der Wächter meint: „It’s not good, use flash!“ Wie bitte? Ich zeige die Fotos und sage, dass ich den Blitz nicht brauche. Auf die nächste Warum-kein-Blitz-Diskussion habe ich keine Lust.
„It’s not good, use flash!“ WAS? Die Fotos sind ok und mit Blitz ist scheiße. Ich fotografiere weiter, der Wächter wiederholt seine Blitzaufforderung nochmal.
Mir platzt der Arsch! Die Aufgabe dieses Mannes ist es, das Anpacken der Reliefs und das Blitzen zu verhindern, statt dessen nervt er mich damit, ich solle endlich den Blitz benutzen. Das ist zu viel, ich kann mich schwer beherrschen. „It’s not good, use flash!“ gibt dem letzten Rest Selbstbeherrschung den Todesstoß, ich weise den Mann deutlichst und unüberhörbar auf seinen Job hin. Das veranlasst ihn zu gehen, allerdings kommt er nach zwei Minuten wieder und fordert penetrant ein Bakschisch.
Ich könnte kotzen und wechsele in den Godmode…
Es ist endlich heute +2, der große Tag, an dem das Meeting mit Mr Mansour bevorsteht.
Ich bin an der Bushaltestelle hinter dem Luxortempel und will jetzt mein Ticket kaufen.
Für den Bus in 10 Minuten? Nein, denn es reicht, wenn ich Montag morgen fahre. Meine Flugzeit ist bestätigt worden. „Der Bus fährt aber nicht von hier“. Das weis ich, der fährt an der neuen Bushalte beim Flughafen ab. Dann könne ich das Ticket aber auch nur da kriegen.
WAT? Hätte man das nicht auch gestern wissen können?
Es hilft also nichts, ich muss da hin. Die Anreise mit Minibussen stellt sich als einigermaßen katastrophal dar. Ich frage mich, wer auf die Idee gekommen ist, die Busstation so weit draußen am Arsch der Welt zu bauen. Früher lag sie doch wunderbar zentral.
Ich komme an, das Ticket gibt es erst morgen. Der Bus wäre aber eh nicht so voll.
Immerhin schaffe ich es, auf der Sitzplatzliste eine Reservierung zu kriegen.
Als ich nach vier Stunden ohne Ticket wieder in Zentral-Luxor eintreffe ist, ist Mr Mansour sicher schon wieder unterwegs – es ist schon nach 12 Uhr. Ich muss wohl einen Brief nach Kairo schreiben.
Es ist heute +2, nur wenig später.
Ich warte gegenüber dem Malqata auf einen Pickup, der Richtung Ticketoffice fährt. Neben mir hält ein Taxi und fragt: „Tax?“ Ich sage freundlich „La schukran“. Der Taximensch schreit mich an: „La schukran, la schukran! Why come to Luxor if you don’t spend money?“ Was geht denn jetzt ab, sowas hab ich noch nie erlebt. Vermutlich sollte man ruhig bleiben und ganz trocken sagen „for holiday“ und „ma salama!“
Ich gebe zu, dass mir das nicht gelungen ist. Statt dessen bin ich ein weiteres Mal in den Godmode gewechselt und habe den Typen vor allen Leuten zur Sau gemacht. So eine Unverschämtheit lasse ich mir nicht bieten und anschreien lasse ich mich schon gar nicht, erst recht nicht von einem schlechtgelaunten Taxidriver!
Auf meine Frage „Are you crazy today?“ ist er dann gefahren, ein Typ neben mir polterte aber los und wollte wissen, was mir einfiele, seinen Kumpel so anzuschreien. Dazu fiel mir nur ein, dem Typen auch mal die Meinung zu geigen. Irgendwann ist die Grenze dessen überschritten, was man freundlich und bestimmt überhören kann.
Immerhin scheint aber inzwischen hinlänglich bekannt zu sein, dass ich weder Taxi, noch Motorboot, Feluka, Camel, Horse oder Donkey brauche und auch auf „Bike“ nur in Ausnahmefällen zurückgreife.
Heute +2, der späte Nachmittag.
Ich bin in der Nähe des Sethostempels beim frisch verlobten Abdelhamid. Der empfängt mich freudestrahlend, zeigt stolz seinen goldenen Verlobungsring und läd mich sofort wieder zum Tee ein. Die Einladung nehme ich gern an, schließlich bin ich zum Gratulieren gekommen. Und um meine „Alabasterkatzenreihe“ abzuholen, die super zeigt, wie diese Statuen hergestellt werden.
Irgendwann grummelt er dann plötzlich eine Frage, die ich nicht verstehe. Ich bitte um eine Wiederholung, verstehe aber wieder nichts. Ganz offensichtlich scheit diese Frage unangenehm oder peinlich, ich sage also, er solle ruhig fragen, alles „no problem“. So schnell schockt mich ja nichts mehr.
Es stellt sich heraus, dass es mir die Katzen gern schenken möchte und das eigentlich auch für selbstverständlich und angebracht hält. Den Alabaster muss er aber kaufen, bald beginnt der Hausbau. Die Hochzeit sollte ja irgendwann mal folgen. Kurz und knapp: Er braucht Geld und das ist ihm peinlich.
Als ich versichere, dass ich natürlich dafür bezahlen würde, denn das sei ja schließlich Arbeit und einem Freund müsse man ja nicht alles schenken, weicht das Unbehagen sichtbarer Erleichterung.
Als es später um den Preis geht, ist die Euphorie über die Verlobung und den bald beginnenden Hausbau deutlich zu spüren. Ich hatte eigentlich nicht andeuten wollen, dass ich jeden Preis bezahlen würde.
Am Ende zahle ich einen guten Preis, bei dem mir nicht nur die Katzen, sondern auch ein gutes Stück Haus gehört. Manchmal muss man sein Geld halt sinnvoll ausgeben, ich hab es gern getan. Einzige Bedingungwar eine Einladung zur Hochzeit und eine Sonderführung durch die eigenen vier Wände.
Nächstes Jahr, inshallah!