Bei all der hier vorgefundenen Sachkenntnis: Individual-("backpacker-")-Urlaub in Ägypten ohne einschlägige Vorkenntnis der Region und seiner Menschen halte ich für Leichtsinn!
Wenn man erstmal die Scheu abgelegt hat und rausgefunden hat, dass es kein Problem ist, sich in Ägypten allein fortzubewegen, lacht man wahrscheinlich darüber.
Ist sinngemäß m.E. fast richtig. Nur würde ich hier persönlich nicht von "Scheu" reden. Wer keine Fremdsprache oder nur ein paar Brocken Englisch beherrscht, wird jenseits der Touristenpfade Schwierigkeiten bekommen; zu schweigen davon, daß im "Hinterland" ohnehin nur sehr wenige Ägypter Englisch sprechen.
Ich werde auch nicht müde zu predigen, daß Ägypten gerade auch im rein zwischenmenschlichen Bereich anders "funktioniert" als unsere Gesellschaft hier. Das beginnt ja bereits bei der reinen, von vielen als international gültig vermuteten Gestik: wollen wir jemandem über Entfernung signalisieren er solle kommen, so halten wir eine Hand nach vorn, Handfläche nach oben (oder zur Seite), biegen alle Finger bis auf den "Zeige-" Finger nach innen und "winken" mit dem Zeigefinger. In Ägypten hält man dagegen die Handfläche nach unten und macht eine "grabende" Bewegung mit den Fingern.
Wir geben aus Höflichkeit gern die Hand und unterscheiden da nicht nach dem jeweiligen Gegenüber. Allein das kann in Ägypten bereits Ärger geben, da ein Mann niemals einer fremden Frau die Hand gibt! Wird das Berühren eines anderen bei uns als lästige Distanzlosigkeit verstanden, so ist das in Ägypten ein durchaus übliches Signal bei großer Enge etwa; so darf eine dicht hinter einem Mann laufende Frau diesem durchaus auf die Schulter fassen um auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen.
Das sind nur ganz gezählt wenige Hinweise auf lauernde Fettnäpfe!
Ich habe nun drei recht intensive Orientreisen hinter mir und erst bei der letzten war mir eine Woche Genuß in einer Hotelanlage vergönnt, daher möchte ich von mir behaupten, ein bißchen von der Materie zu verstehen. Zudem maße ich mir fundierte Grundkenntnisse des Islam an.
Und ICH würde grundsätzlich auf einen ortskundigen Freund vertrauen, einem Ägypter eben, der mir noch zehntausend Tips und Hinweise geben kann von denen ich noch nie gehört habe!
Man kann sich hinsetzen und vor einem solchen Urlaub eine ganze Zeitlang studieren und wird sich dennoch vielleicht korrekt, aber immer hölzern bewegen. Auf jeden Fall aber wird man (ganz egal, wo man vorher auch war und wieviel man weiß!) sehr schnell feststellen, daß "alles ganz anders" ist ... Ägypten ist in hohem Maße unplanbar.
Es sieht dort anders aus als erwartet.
Es schmeckt anders als erwartet.
Es riecht anders als erwartet.
Die Menschen sind anders als erwartet.
Ich habe selbst in Kairo dutzende von verlausten und zerlumpten britischen Teenies getroffen, die sich von irgendwelchen romantischen, postkartenidealisierten Zerrbildern des Orients haben verlocken lassen, dort schmählich gekentert sind und jetzt mit ihrer großen kriminellen Energie genau die größte Gefahr für heutige Touristen darstellen. Um diese heruntergekommenen Bengel habe ich vorsichtig immer einen groooßen Bogen gemacht.
Was tut denn bitte schön an einer "einführenden" Pauschalreise so schröcklich weh? Etwa das verallgemeinernde Proletenstigma? Herrjöttchen! Man muß sich ja mit diesem saufenden und ignoranten Volk nicht gemein machen!
Ich bin nun wirklich Puritaner, wenns um den Orient geht und mir kann es eigentlich nie ursprünglich genug sein. Und dennoch habe ich die eine Woche Kreuzfahrt und die anschließende Woche Arschkratzen in Hurghada in vollen Zügen genossen!
Gruß
Nebtaui