Mursi - Ein neuer Präsident ist gewählt.

Hier könnt ihr Einsteigerfragen zu Ägyptologie, Tempeln, Götter usw. stellen, aber auch zur gegenwärtigen Kultur, dem Land und seinen Menschen Stellung beziehen

Moderatoren: Uli, Isis

Gast

Beitragvon Gast » Di 02 Okt, 2012 16:36

Nil-Eule hat geschrieben: ja ..... ist das nicht wirklich seltsam?
Ich habe nun Ägypten einige Male bereist und habe mich häufig weit außerhalb touristischer Gebiete aufgehalten - kurioserweise wurde ich nicht ein einziges Mal beschimpft.
Nie.
Und auch nicht, als ich selbst Jahre vor der eigenen Konversion stand.


Gott, immer wieder derselbe Mist vom Propaganda-Kuckuck. Es ist wirklich toll, dass du schon mehrfach das Land bereist hast und dabei bestimmt auch gaaaaanz weit abseits jeglicher touristischer Destinationen Erfahrungen sammeln konntest, aber was veranlasst dich, deine kurzweiligen Reiseerfahrungen in Apposition zu den Erfahrungen vor Ort Lebender zu stellen? Von Leuten, die schon vor der Revolution in Ägypten gelebt haben und es auch jetzt immer noch tun? Personen, die einen ägyptischen Freundeskreis und Arbeitskollegen haben? Die Arabisch sprechen und gewiss nur wenigen touristischen Lastern frönen? Glaub mir, diese Leute sind bestimmt besser „ägyptisch“ sozialisiert als du es mit deinen derzeitigen Reiseerfahrungen auch nur jemals sein kannst. Also wie erklärst du dir diesen urplötzlichen Umschwung vom „Ausländer“ zum „Ungläubigen“ im verbalen Schimpfrepertoire der Einheimischen? Vermutlich weiterhin mit den ewig gleichen Milchmädchenrechnungen...

Gast

Beitragvon Gast » Di 02 Okt, 2012 17:02

@Nil-Eule,
leider gehst du nicht auf meine Worte ein sondern versuchst eine Verteidigung aufzubauen. Es ist nun mal leider so, dass nach der Revolution gewisse Personen mit einem bestimmten Bartwuchs verstaerkt agieren. Wir, die hier in Aegypten leben und das Land sowie die Menschen lieben sind sehr betroffen mit welchen Mitteln hier die ich sage mal -normalen Menschen- von ihnen beeinflusst werden.
Ich bin kein Tourist der sich anmasst, nach 20 Landesbesuchen der Experte zu sein. Arbeite mit aegyptischen Kollegen zusammen fuer den Aufbau eines neuen Aegypten, dieses wird leider von gewissen Kreisen mit gewissen Haartrachten massiv gestoert da sie gegen jedliche Aufklaerung sind.
Wir wollen ein neues, starkes, gleichberechtigtes Aegypten das nach vorne schaut und nicht zurueck. Leider stehen andere Personenkreise dem sehr negativ gegenueber und beschimpfen uns- zum Glueck nur verbal.
Bitte entschuldige meine sonderbare Schreibweise da ich die Zensur beachten muss.
Gruesse aus Aegypten

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Beitragvon saamunra » Di 02 Okt, 2012 17:28

Daniel Jackson hat geschrieben:Ich habe bei den 90.000 Häftlingen so meine Zweifel, vermute eine Null zu viel. So viele sollen ja gar nicht während der Revolution "entkommen worden" sein.

Sowas kannst du den Ägyptern nicht vorwerfen.
Das hat 5000 Jahre Tradition.
Wenn der Pharao 200000 Libyer erschlagen hat, waren es in Wirklichkeit 20000.
Mal ne Null ranhängen ist keine Lüge, sondern der ideale Zustand, der erwünscht und erbeten wird.
So wie 1000 Brote, 1000 Rinderschenkel usw. als Opfer.
Denn alles was in Stein geschrieben wurde, ist wahr oder wurde wahr.
So einfach ist Propaganda.
Gruß
saamunra

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Beitragvon Daniel Jackson » Di 02 Okt, 2012 21:44

Ein Gericht in Kairo hat einer ägyptischen Schauspielerin 1 Million LE Schadensersatz zugesprochen, die das Innenministerium zahlen muss. Die Frau war unter Folter und sexuellem Missbrauch von der Polizei gezwungen worden, ein falsches Geständnis über den Mord an ihrem Ehemann abzulegen. Nachdem sie 5 Jahre unschuldig im Gefängnis saß, wurden die tatsächlichen Mörder identifiziert und ausfindig gemacht. Trotzdem musste die Frau weitere 3 Jahre(!) im Gefängnis bleiben, bis sie in einer Neuauflage des Prozesses freigesprochen wurde. Für Folter, Missbrauch, 8 Jahre unschuldig im Gefängnis und ihre zerstörte Karriere erhält sie jetzt die höchste Entschädigungssumme, die das Innenministerium jemals einem Folteropfer zahlen musste.
http://english.ahram.org.eg/NewsContent ... ess-L.aspx
Autor des Reiseführers "ÄGYPTEN - DAS NILTAL von Kairo bis Abu Simbel"
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Beitragvon Meretaton » Di 02 Okt, 2012 22:25

Ich begrüße dieses Urteil sehr. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wieviel ähnliche Schicksale es in Ägypten gibt.

Daniel Jackson
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Beitragvon Daniel Jackson » Mi 03 Okt, 2012 10:08

Amnesty International hat zwei Berichte zu Ägypten veröffentlicht, die sich insbesondere mit der Übergangsphase unter dem SCAF befassen. Das Urteil fällt verheerend aus. Es werden dringende Reformen des Polizeiapparates gefordert (an Wurzel, Stamm und Ästen) und SCAF, aber auch die Medien bekommen ihr Fett weg. Auch unter Mursi gehen die Menschenrechtsverstöße durch die Polizei weiter, es werden weiterhin Fälle von Folter dokumentiert.

Es berichtet u.a.
http://www.egyptindependent.com/news/po ... ys-amnesty
Autor des Reiseführers "ÄGYPTEN - DAS NILTAL von Kairo bis Abu Simbel"

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Beitragvon Meretaton » Mi 03 Okt, 2012 11:39

Mohamed Omara von der salafistischen Nourpartei (mit meiner Meinung nach "kranken" Einstellung) über die Heirat junger Mädchen (Kinder), die sich noch nicht in der Pupertät befinden....

http://english.ahram.org.eg/NewsContent ... n-mar.aspx

Interessant und eindeutig sind hier auch die Kommentare der Leser von Ahram Online dazu

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Beitragvon Daniel Jackson » Mi 03 Okt, 2012 15:25

Und schon wieder so ein Fall, wo man nur mit dem Kopf schütteln kann: In Beni Suef wurden zwei Kinder (9 und 10 Jahre) festgenommen, weil sie Koranseiten zerrissen haben sollen (Beleidigung der Religion). Beide Kinder können nach Aussagen der Eltern gar nicht lesen und hatten an einem Müllhaufen am Straßenrand gespielt und dabei den Inhalt einer Plastiktüte traktiert. Zur Polizei gerannt war der Imam des Dorfes.
http://english.ahram.org.eg/NewsContent ... ultin.aspx

Man muss doch echt mal fragen, ob der werte Herr noch alle Tassen im Schrank hat. Gleiches gilt für die Polizei. Unabhängig vom Alter der Kinder (wie kann man die festnehmen?!?) entdecke ich da eine gewisse Unlogik: Man kann einen Koran in den Müll stecken - wer dann aber den Müll vernichtet, der beleidigt die Religion. Entschuldigung, aber das ist so ziemlich das Beknackteste, was mir in letzter Zeit untergekommen ist. Solche Fälle zeigen doch nur eins: Hier dient Religion als wunderbarer Vorwand, um alte Rechnungen zu begleichen oder seinen Frust abzulassen. Denn wer Kinder zur Polizei schleppt und verhaften lässt weil sie Müll(!!) "zerstört" haben (was schonmal gar nicht geht), der ist alles andere als religiös. Er ist vor allem nicht mehr ganz dicht und sollte sich in ärztliche Behandlung begeben.

Das muss an dieser Stelle mal ganz deutlich gesagt werden. :roll:


PS: Was für ein wunderbares Thema für den 4444 Beitrag. 8)
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Beitragvon NICO » Mi 03 Okt, 2012 15:42

Oh mann :roll:


Dä, DJ 4444 Beiträge Schnapszahl :-D
gibste ne Runde Ouzo ? :lach:

Gruss Nico
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Beitragvon Meretaton » Mi 03 Okt, 2012 17:51

....alle Tassen im Schrank ist da noch nett umschrieben :shock:

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Beitragvon Nil-Eule » Do 04 Okt, 2012 08:37

Anonymous hat geschrieben:@Nil-Eule,
leider gehst du nicht auf meine Worte ein sondern versuchst eine Verteidigung aufzubauen.


Ich habs satt.
Und vor allem eines ganz bestimmt NICHT nötig: eine "Verteidigung aufzubauen". Du bist für mich nur einer von ganz vielen Westlern (ob sie nun in Ägypten leben oder nicht, was ich in Deinem Fall eh [noch] nicht so glaube), die ohne Meckern, Befürchten und Leiden nicht in anderen Umgebungen leben können. Bisher habe ICH von Dir noch niemals etwas über die Schönheit des Landes oder die Liebenswürdigkeit der Ägypter gelesen - Du scheinst sie alle für rückständig-aggressiv-dumme Halbaffen zu halten.

NOCHMAL: frequentiere gefälligst den Meckerthread oder kübele Dich über PN aus; von mir aus gehe auf diesen Wegen den Moderatoren auf den Nerv.
Deine Selbstbeweihräucherung in Verbindung mit Deinem heulendes Selbstmitleid als "verfolgtes und armes, beschimpftes Opferchen" hängen mir auch zum Halse heraus.

Und nu is gut. :schild_stop:
"Wer einmal von den Wassern des Niles getrunken, kann seinen Durst nie wieder woanders stillen." (Mika Waltaari; "Sinuhe der Ägypter")

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Beitragvon Nil-Eule » Do 04 Okt, 2012 09:10

Daniel Jackson hat geschrieben:Man muss doch echt mal fragen, ob der werte Herr noch alle Tassen im Schrank hat. Gleiches gilt für die Polizei. Unabhängig vom Alter der Kinder (wie kann man die festnehmen?!?) entdecke ich da eine gewisse Unlogik: Man kann einen Koran in den Müll stecken - wer dann aber den Müll vernichtet, der beleidigt die Religion. Entschuldigung, aber das ist so ziemlich das Beknackteste, was mir in letzter Zeit untergekommen ist.


Das sehe ich GENAUSO.

Das Land geht momentan durch eine schwere Zeit und wird sich (vermutlich unter Schmerzen) völlig neu selbst wiederfinden müssen.
Meine Vorhaltungen gegen diesen Imam wären vermutlich noch viel persönlicher und schärfer, denn er weiß ganz genau, was er getan hat -- das ist ihm zu unterstellen.

Die Karten mischen sich augenblicklich neu; während Mubarak diente der Islam als so ziemlich einzige, infrastrukturelle und kulturelle Infrastruktur, die Ägypten "vor Ort" überhaupt hatte. Bis kurz vor Mord wurden sehr viele Vergehen nie der Polizei, sondern dem Imam gemeldet und in der Moschee verhandelt und entschieden - der Justiz hat kaum jemand getraut.
Mubarak hat sein Volk ziemlich alleingelassen, Islam war Adminstration und politische Opposition, längst nicht nur Religion.
Aus diesem Grunde verfügte auch die Bruderschaft außer dem Militär als ziemlich einzige Organisation Ägyptens überhaupt über Vertrauen und Infrastruktur und Möglichkeit, ein Land zu verwalten und zu lenken.

Heute laufen die Dinge offenbar aus dem Ruder. Das Zeitfenster, aus dem Islam eine Religion zu machen und für alles andere einen Staat aufzubauen, beginnt sich bereits zu schließen. Volk wie Imams und Ulema im Allgemeinen werden momentan zum Spielball unterschiedlichster Interessen; Extremismus ist eine sehr unheilige Pflanze, die bisher mit Ausnahme vergleichsweise eng eingezirkelter Regionen Ägyptens kaum Fuß fassen konnte.
Dutzende einschlägige Gespräche mit "dem Mann von der Straße" und andererseits Unternehmern quer durch die letzten Jahre zeigen mir, dass die religiöse Auffassung in Ägypten eine der schlagendsten Stärken des Landes zu vergessen beginnt: Toleranz.
Die Verschärfung an dieser "Front" scheint mir Symptom wachsender Unsicherheit und ansteigender Einflussnahme von außen zu sein - inhärent ist eine engstirnige, radikale Auffassung des Islam dem Land nicht.

Die Menschen müssen Grund bekommen, ihrem neuen Staat zu vertrauen. Deshalb sind Erfolge in der Versorgung und in der Herstellung von Stabilität, dem Erreichen von Investitionen und der Erneuerung, Neuorientierung der inländischen Produktion (über-)lebensnotwendig.
Sobald den Leuten heute klar ist, dass sie morgen Brot erhalten und nächste Woche vielleicht ein Stückchen Kuchen dazu, wenn sie eine Zukunft sehen und planen können, dann reguliert sich auch der Glaube - und solche "Aktionen" wie diese wird es nicht mehr geben.
Davon bin ich ziemlich überzeugt.
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Beitragvon Isis » Do 04 Okt, 2012 10:12

salam

Die Arbeit am Entwurf der neuen ägyptischen Verfassung nähert sich dem Ende. Die beiden Knackpunkte sind das Verhältnis zwischen Islam und Staat und die Frage zur Rolle der Armee im Post-Mubarak-Ägypten.


http://derstandard.at/1348284896020/Sae ... Verfassung

interessant ist z.b.

Die Demonstrationen am Dienstag galten dem Artikel 36, im Kapitel "Rechte und Pflichten". Der derzeitige Entwurf beinhaltet zwar eine Verpflichtung des Staates, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichheit von Frauen in allen Bereichen des Lebens zu garantieren - aber mit dem Zusatz "ohne dass die Grundsätze des islamischen Rechts verletzt werden".


auch die anderen punkte sind interessant aber lest selbst.

ma salama

... isis ...

Zweifler

Beitragvon Zweifler » Do 04 Okt, 2012 10:35

Es ist doch aus diesen wenigen Zeilen zu erkennen, wohin Ägypten steuert: Richtung Islamisierung und da können westliche Glaubensbrüder noch so viel abzumildern versuchen. Warum schreibt man nicht einfach "Man und Frau sind gleichberechtigt" und läßt auch in anderen Bereichen durch die Formulierungen Hintertürchen offen, die Maßnahmen ermöglichen, die mit unserem westlichen Verständnis wenig gemein haben.

Das Zeitfenster, aus dem Islam eine Religion zu machen und für alles andere einen Staat aufzubauen, beginnt sich bereits zu schließen
Nun ist der Islam zwar schon eine Religion, aber das angesprochene Fenster hat es nie gegeben. Völlig undenkbar, dass in Ägypten (aber auch in anderen "befreiten" Ländern) irgendjemand im Ernst daran denkt, einen laizistischen Staat zu wollen. Und in Ägypten wird der Islam in den nächsten Jahrzehnten (hunderten?) immer mehr zum staatsbestimmenden Instrument werden. Und das auch aus dem Grund, dass es wohl nur sehr sehr wenige sein werden, die irgendwann zum Stück Brot noch ein Stückchen Kuchen bekommen.

Und hier noch eine Stimme des deutschen Islamisten Pierre Vogel zum Thema Tätowierung und Augenbrauen zupfen. Man muss also nicht bis Beni Hassan gehen, um fassungslos den Kopf zu schütteln.

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Beitragvon Nil-Eule » Do 04 Okt, 2012 10:49

Man muss vorsichtig sein, und für Vorsicht wäre "Der Standard" jetzt nicht unbedingt bekannt.

Persönlich wäre ich sehr wohl für eine Auflösung des Ausschusses; obschon die Zeit für geregelte Verhältnisse wirklich drängt, muss man wohl an diesem Punkt eher gezielt der Langsamkeit Vorrang geben.
"Gut Ding will Weile haben".

Es ist nicht gut, wenn ein Ausschuss in sich breit kritisiert wird - auch wenn seine Zusammensetzung einerseits dem ursprünglichen Wählerwillen entspricht und andererseits auch repräsentativ für Ägypten steht.

Allerdings haben wir hier ein größeres Problem mit der Vokabel "Islamismus", die zugegebenermaßen zwar von der arabischen Presse vielfach angewandt wird, hier aber völlig andere Assoziationen mit sich bringt. Angesichts der Salafisten und Wahabiten rangiert die FJP ungefähr so "islamistisch", wie die deutsche CDU "christistisch". Man kann und muss die FJP als religiös-konservativ betrachten - aber nicht als "extrem" und "Islamismus" bezeichnet für unser Verständnis extreme Ansichten.

Der derzeitige Entwurf beinhaltet zwar eine Verpflichtung des Staates, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichheit von Frauen in allen Bereichen des Lebens zu garantieren - aber mit dem Zusatz "ohne dass die Grundsätze des islamischen Rechts verletzt werden".


Hier rate ich zur Vorsicht. Die zentrale autorität Ägyptens in Religionsfragen ist noch immer die Al-Azhar; nachweislich geht deren "Frauenverständnis" lange nicht einher mit solchem aus benachbarten, islamischen Ländern. Die Al-Azhar hat sich noch während der Revolution ganz klar und unmissverständlich für ultimative Rechte für alle ausgesprochen, der letzte Großscheich, Al-Tantaoui, verursachte großen Aufruhr, weil er z.B. das Tragen des "großen Niqab" in der Al-Azhar-Universität verboten hat. Es gibt ausreichend Dokumente, nach welcher die Al-Azhar mit großer Selbstverständlichkeit Frauenrechte einfordert - und somit eklatant von vielen anderen, religiösen Zentren des Islam abweicht.

Kritisch werte auch ich die Reduktion von der Erlaubbarkeit von Sakralbauten auf die abrahamitischen Religionen. Man müsste jetzt die Autoren fragen, wie und warum sie sich das vorstellen. Objektiv betrachtet allerdings ist die ägyptische Bevölkerung noch weit davon entfernt, tatenlos dem Bau einer POLYTHEISTISCHEN Anlage in ihrem Land zuschauen zu sollen. Das, fürchte ich, kriegen sie noch nicht hin - und vielleicht ist dieser Umstand der Grund dafür, zumindest heute solche Bauten nicht genehmigen zu wollen - denn sie wären in der Tat dazu angetan, den "öffentlichen Frieden" zu gefährden.
Vielgötterei bedeutet auch für ägyptische Muslime etwa das gleiche wie für uns Satanismus - ich würde auch nicht versuchen wollen, im tiefsten Bayern etwa einen Satanstempel zu bauen.
Aber das ist spekulativ; generell finde ich diese Idee, Sakralbauten nur für diese Auswahl Religionen zu erlauben, erstmal falsch.

Verwirrend finde ich die "Standard"-Auffassung von den Vorgängen rund ums Militär. Wer die Dinge verfolgt hat weiß ziemlich gut, dass diese Vereinbarung explizit zwischen Präsident und (damaligem) SCAF ausgehandelt worden war um die Fahrt für eine zivile Regierung frei zu machen. Es stand in Zusammenhang mit der Verfassung zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion, den "Nationalen Verteidigungsrat" aufzulösen oder noch mehr militärische Kompetenz in die Hände von Parlament oder/und Präsident zu legen.
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